Die Apokalypse mit mutierten Kreaturen: Das hatten wir erst gerade im vergnüglichen «Love & Monsters» auf Netflix. Gleicher Anbieter, ähnliche Idee – nur diesmal aus Sicht der Mutanten: So knapp und sicherlich auch höchst ungenau liesse sich «Sweet Tooth» umschreiben.
Den Auftakt macht – Entschuldigung für die Nähe zur Realität! – der Ausbruch eines Virus. Während es wütet und die Welt ins Verderben stürzt, tauchen überall Hybriden-Babys auf: halb Mensch, halb Tier. Oder waren sie es, die das Virus erst freigesetzt haben? Diese Unsicherheit schürt den Hass auf die Hybriden: Sie werden ausgestossen, gejagt und getötet.
Ein Vater (Will Forte) nimmt sein kleines Hybridenbaby darum mit in den Wald. Dort, in einer Hütte, zieht er Gus (Christian Convery) gross und bringt dem Jungen mit Hirschgeweih bei, wie man abseits der Zivilisation überlebt. Doch die Idylle findet eine jähes Ende, als die beiden entdeckt werden.
Zum Glück taucht bald Tommy Jepperd (Nonso Anozie) auf, ein imposanter, wenn auch unnahbarer Kerl, der zu einem Beschützer von Gus wird.
Parallel dazu führt die Geschichte auch andere Figuren ein. Etwa den Arzt Aditya Singh (Adeel Akhtar) oder Aimee (Dania Ramirez). Anfänglich ist nicht ganz klar, wie diese Charaktere in die Hauptgeschichte einfliessen, auch wenn der Erzähler (im Original: Josh «Thanos» Brolin) mit allerlei Andeutungen eine Verbindung herzustellen versucht.
Brolin ist übrigens nicht das einzige Mitglied aus dem Marvel-Kosmos: Als Produzent waltete «Iron Man» Robert Downey Jr. zusammen mit seiner Frau Susan. Sie haben sich in die Vorlage verliebt und wollten sie unbedingt adaptieren lassen. Eine Vorlage notabene, die von Marvels Konkurrent DC stammt: Es ist eine Comicreihe, geschrieben und gezeichnet von Jeff Lemire.
Während Lemires Zeichenstil teilweise skizzenhaft wirkt, geht die Serie in eine andere Richtung: Viel Lichtquellen erzeugen ein oft poetisches Fantasy-Gefühl, was märchenhafte Unterhaltung erwarten lässt. Auch wenn die düstersten Szenen abgeschwächt wurden, um die Serie familientauglicher zu machen, brodelt doch das Unheil unter der Oberfläche. Und es wird klar, dass dies keine süssliche Welt ist.
Lemire selbst war in die Produktion mit eingebunden und gab seinen Segen für die Änderungen, darunter auch die neuen Figuren. Wenn er das ohne Zähneknirschen tat, werden seine Fans sicher zufrieden sein.
Netflix | Fantasyserie | 1. Staffel |
USA 2021Mit Christian Convery, Nonso Anozie, Adeel Akhtar; Showrunner: Jim Mickle
Zwischen süss und bedrohlich: eine Welt zum Abtauchen
ab 4. Juni
Netflix | Fantasyserie | 1. Staffel | USA 2021
Die Fans von Jeff Lemires Comics dürften etwas enttäuscht sein: Den düstersten Ideen wurden für die Serienadaption die Zähne gezogen. Doch auch in der softeren Version hat «Sweet Tooth» Verstörendes parat. Wie der Hybridenbub Gus (Christian Convery) in einer postapokalyptischen Welt zu überleben versucht und Hilfe von Ex-Footballer Jepperd (Nonso Anozie) bekommt, bietet daneben auch durchaus poetische Momente.
Ein Gesamtpaket, das rasch hineinzieht und bei Laune hält. Das offene Ende indes macht eine zweite Staffel zwingend – ein Wagnis, da Netflix Serien auch absetzt (siehe «Jupiter’s Legacy»). Bei den Qualitäten hier ist das Risiko aber gering.
-MSP
Poesie trifft Pein: faszinierend.
verfügbar