Die gute Nachricht zuerst: Die fünfte und zugleich letzte Staffel von «Haus des Geldes» wird wieder länger. Nach zuletzt neun bzw. acht Folgen (Staffel 2 bzw. 3 und 4) umfasst die finale Season zehn Folgen. Einzig die Auftaktstaffel hatte mehr (13). Die schlechte Nachricht: Sie kommt in zwei Tranchen à je 5 Folgen daher.
Und während die einen nun ätzen, dass sie bis zum 3. Dezember (erst dann werden die letzten fünf Folgen aufgeschaltet) warten müssen, bis sie das Ende kennen, frohlocken die anderen, dass es endlich weitergeht mit der Schlacht um die Bank von Spanien.
Neulingen im Universum der rotgewandeten Maskenträger mit den Städtenamen sei an dieser Stelle empfohlen, die Serie von Anfang an zu schauen. Schliesslich handelt es sich bei «Haus des Geldes» – im spanischen Original «Casa de Papel» – um die meistgesehene nicht englischsprachige Serie von Netflix.
Fans von Tokio (Úrsula Corberó) & Co. hingegen fiebern darauf hin, zu erfahren, ob es dem Professor (Álvaro Morte) und seiner Bande gelingt, Lissabon (Itziar Ituño) zurück in die Bank zu verfrachten. Zuletzt kreiste sie gemeinsam mit Marseille (Lukas Peros) in einem Polizeihelikopter über Madrid.
Doch auch für den Professor selbst war es zuletzt brenzlig: In der letzten Szene von Staffel 4 wurde er von der hochschwangeren, skrupellosen Ermittlerin Alicia Sierra (genial: Najwa Nimri) gestellt, es fielen gar Schüsse.
Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass Sierra jetzt auf eigene Faust handelt, da sie wegen ihrer zweifelhaften Methoden unehrenhaft entlassen und zur Fahndung ausgeschrieben wurde.
Nun soll also in zehn Folgen alles zu einem schlüssigen (und wohl auch blutigen) Ende hinführen. Das ist keine leichte Aufgabe für Showrunner Álex Pina, der schon nach Staffel 3 und vor allem 4 Kritik einstecken musste.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Netflix die Rechte für die Serie übernommen und verlängerte sie wegen des grossen Erfolgs. Eigentlich wäre die Geschichte um die Bande, die in die Bank eindringt, um ihr eigenes Geld zu drucken, ja nach zwei Staffeln zu Ende erzählt gewesen.
Ganz ehrlich: Vor allem der vierten Staffel merkte man an, dass die Erzählzitrone ziemlich ausgepresst war. Doch hat man mit «Haus des Geldes» mal angefangen, ist man es der Serie fast schuldig, sie bis zum Schluss mitzuverfolgen. Denn um einfach hinzuschmeissen – dafür war die erste Hälfte zu gut.
Nur, wie sieht der Schluss aus? Wohl nicht sehr rosig: Die Lage spitzt sich zu, der Professor ist von Sierra ausser Gefecht gesetzt, vor der Bank stehen Heerscharen von schwerbewaffneten Polizisten. Coronel Tamayo (Fernando Cayo), Befehlshaber bei der Polizei, hat die Schnauze voll von Rückschlägen und fordert das Militär an – zur Erstürmung der Bank und Befreiung der Geiseln.
Dabei schreckt er nicht davor zurück, einen ehemaligen Söldner und dessen brutale Crew zu rekrutieren.
Im Innern der Bank warten auf Tokio & Co. aber noch andere Probleme: Der Professor meldet sich nicht mehr per Funk (wir wissen natürlich, warum!), während sich die Geiseln um den ehemaligen Bankdirektor Arturo Román (Enrique Arce) jede Menge Waffen besorgen und den Aufstand proben.
Das alles bringt viel Hektik und noch mehr Schiessereien mit sich. Zu Beginn der neuen Folgen wird in fast jeder Szene volle Pulle rumgeballert. Das mag dramaturgisch zwar Sinn machen, wirkt sich aber mit der Zeit ermüdend aus.
Was hinzukommt: Als Fan der ersten Stunde vermisst man die cleveren Wendungen und die Rückblenden in die Zeit vor dem Überfall, wo der Professor für jede noch so aussichtslose Situation schon einen Ausweg geplant hat.
Ja, es geschieht zum ersten Mal, dass der Professor gesteht: «Ich habe keinen Plan B.» Was nun? Man kann doch unmöglich 10 Folgen mit einer Schiesserei nach der anderen füllen.
Dem ist zum Glück auch nicht so. In einer Rückblende, die vier Jahre vor dem Tag X einsetzt, lernen wir eine neue Figur kennen: Berlin (Pedro Alonso), der zwar inzwischen gestorben ist, trifft dort auf seinen nicht wirklich heiss geliebten Sohn Rafael (Patrick Criado).
Dabei erfährt das Publikum, dass Rafael von seinem Vater ein Ingenieurstudium am Massachusetts Institute of Technology bezahlt wurde – Fachrichtung: Elektrotechnik, Schwerpunkt: Cybersicherheit.
Dass der durchtriebene Berlin dies nicht ohne Hintergedanken getan hat und dass Rafael in der finalen Staffel wohl noch eine tragende Rolle spielen wird, ahnt man rasch.
Der zweite Neuzugang im Cast ist Miguel Ángel Silvestre, der den Netflix-Usern als Zuhälter-Handlanger Moisés in «Sky Rojo» (auch von Álex Pina) bekannt ist. Der in Spanien sehr populäre Silvestre taucht – so viel sei verraten – in Rückblenden auf und spielt eine wichtige Rolle in Tokios Vergangenheit.
Mehr dürfen wir hier nicht ausplaudern. Mit den fünf neuen Folgen wird das Warten aufs grosse Finale jedenfalls verkürzt, und mit grosser Wahrscheinlichkeit bauen Pina und sein Team ein paar neue, fiese, kaum auszuhaltende Cliffhanger ein. Nun denn: Ya lo veremos en diciembre!
Netflix | Dramaserie | Stf. 5a
Mit Úrsula Corberó, Álvaro Morte, Najwa Nimri, Itziar Ituño, Jaime Lorente, Fernando Cayo
Atemberaubendes und atemloses Katz-und-Maus-Spiel
E 2021, ab 3. September
Nerd Alert:
Lachsalve
Ohrwurm
Mummenschanz
Geheimplan
Wo Álex Pina (53) draufsteht, ist in der Regel richtig gutes Serienfutter drin. Dass er mit «Haus des Geldes» aber einen weltweiten Hit landen würde, damit hatte er wohl selbst nicht gerechnet. Der ehemalige Journalist produziert und schreibt gemeinsam mit seiner Frau Esther Martínez Lobato einen Hit nach dem anderen. Unter dem Label der eigenen Produktionsfirma Vancouver Media erschienen nebst «Haus des Geldes» die Serien «The Pier», «Vis a vis», «White Lines» und «Sky Rojo». Letztere drei sind auch auf Netflix verfügbar. In all seinen Werken dominieren einerseits warme Farben wie Rot oder Gelb, und anderseits trifft man überall auf starke Frauenfiguren. Darum ist es auch kein Zufall, dass in «Haus des Geldes» nicht etwa der Professor als Erzähler aus dem Off agiert, sondern die taffe, heissblütige Tokio.