Geschichten, die im viktorianischen England spielen, sind grad very trendy (siehe «THE NEVERS»). Auch der zweite Abstecher von Netflix (nach «Enola Holmes») ins Sherlock-Universum spielt im London des späten 19. Jahrhunderts.
Hier hausen vier Kids im Kellergewölbe eines Pubs. Allesamt im Armenhaus aufgewachsen, schlagen sich Bea (Thaddea Graham), Billy (Jojo Macari), Jessie (Darci Shaw) und Spike (McKell David) mehr schlecht als recht durch.
Da werden sie vom snobistischen Dr. Watson (Royce Pierreson) angeheuert: Sie sollen helfen, einen unheimlichen Fall von verschwundenen Neugeborenen zu lösen. Um seinen Partner, der angeblich mit ihm in der Baker Street 221B logiert, macht Watson ein Riesengeheimnis.
Was wie ein klassischer Kriminalfall beginnt, wird schnell zur mysteriösen Horroraufgabe. Riesige Rabenschwärme attackieren Menschen, es werden Augen ausgehackt, Kinderzähne rausgerissen, später auch Gesichter sorgfältig abgetrennt. Schliesslich werden Mordopfer wie Tarotkarten drapiert – und es kommt noch krasser.
Offenbar breitet sich etwas Finsteres, Unheilvolles über London aus. Und es wird bald klar: Von der Bande aus der Baker Street ist Jessie die grösste Hilfe, denn sie verfügt über unglaublich starke übersinnliche Kräfte. Mit diesen Fähigkeiten gelingt es, einige der rätselhaften Vorkommnisse aufzuklären. Doch hinter dem Übernatürlichen steckt ganz offensichtlich eine höhere Macht, ein grösserer Plan.
Die gruseligen Fälle, die es zu lösen gilt, werden angereichert mit klassischen Serienzutaten. Da wäre Leo (Harrison Osterfield), der später zur Bande stösst, eigentlich Leopold heisst und ein Doppelleben führt: Er ist der Sohn von Königin Victoria, was er tunlichst verschweigt. Neben sich anbahnenden Teenie-Liebeleien beschäftigt den Zuschauer auch der grosse Abwesende: Sherlock Holmes.
Nun, er taucht dann doch noch auf. Sherlock (Henry Lloyd-Hughes; «Killing Eve») ist jedoch nur noch ein Schatten seiner selbst. Ein verlumpter Junkie auf der Suche nach dem nächsten Schuss, doch trotz seinem desolaten Zustand immer noch erpicht darauf, dass man sein Genie gebührend anerkennt.
«Die Bande aus der Baker Street» erfüllt vieles, was man von einer modernen Serie erwartet. Auch die Diversity ist ein (unangesprochenes) Thema. Wie schon bei «Bridgerton» und «Carnival Row» wurden die Rollen quer durch die Hautfarben und Ethnien besetzt.
Auch die Flirts der Jugendlichen sind zeitgemäss. Am stärksten ins Gewicht fällt aber die Story über eine übernatürliche Macht, eine dunkle, unbekannte Bedrohung.
Beim Zuschauen begibt man sich auf eine ähnliche Reise wie bei der Kultserie «Stranger Things»: Was als lüpfiges Teenieabenteuer beginnt, mündet in den gnadenlosen Kampf mit einer magisch aufgeladenen Paralleluniversums-Hölle.
Wem das zu gruselig ist: besser «Bridgerton» schauen. Doch wer Bock drauf hat: Go for it!
Netflix | Mysteryserie | 1. Staffel | GB 2021
Serienschöpfer: Tom Bidwell
Metaphysisch aufgeladenes Teenieabenteuer
ab 26. März
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