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Kino – «MaXXXine»

Mord in Hollywood

Für «MaXXXine», den letzten Teil seiner Schlitzerfilm-Trilogie mit Mia Goth, zügelt Regisseur Ti West den Schauplatz vom ländlichen Texas in den Grossstadtdschungel von Los Angeles.

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Maxine Minx (l.) mit ihrer todgeweihten Kollegin Tabby, gespielt von der Popsängerin Halsey.

Maxine Minx (l.) mit ihrer todgeweihten Kollegin Tabby, gespielt von der Popsängerin Halsey.

Universal Pictures
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Patrick Schneller

Heutzutage ist es fast unmöglich, einen Film zu drehen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Doch Ti West hat es geschafft: Anfang 2022 überraschte er alle mit «X», nur ein halbes Jahr später mit dem Prequel «Pearl». Clever, wie er war, hatte West die Filme während der Pandemie heimlich in Neuseeland gedreht, fernab der Newsjäger von Hollywood. Mit «MaXXXine», der indes schon seit September 2022 angekündigt war, schliesst West nun seine Meta-Slasher-Trilogie ab.

Hollywood, 1985: Pornostar Maxine (Mia Goth) erhält die Chance auf den Durchbruch in einem «anständigen» Film mit der Hauptrolle im Horror-Sequel «The Puritan II».  Doch die Stimmung ist getrübt: Ein von den Medien «Night Stalker» getaufter Serienkiller treibt sein Unwesen, und vor den Studios protestieren religiöse Fundis gegen die Unterhaltungsindustrie, weil diese die Kinder verderbe. Da werden auch noch Leute in Maxines Umfeld bestialisch ermordet.

«X» inszenierte West als schnörkellosen Schlitzerfilm und Hommage ans 70er-Grindhouse-Kino, «Pearl» als Horrorvariante von «Unsere kleine Farm» im melodramatischen Kleid à la Douglas Sirk. «MaXXXine» wiederum präsentiert er als viel breiter angelegten, grimmigen Grossstadt-Thriller aus den neongefluteten 80ern, mit ausgeprägtem Giallo-Vibe und Seitenhieben gegen die Satanismus-Panik, die damals nicht nur in den USA grassierte.

So stehen alle drei Filme stilistisch und dramaturgisch auf eigenen Beinen (siehe weiter unten). Gemeinsam sind ihnen der rabenschwarze Humor und selbstverständlich Mia Goth, die einmal mehr schlicht grossartig aufspielt. Im Gesamtbild gelingt Ti West ein würdiger, ja der vielleicht bestmögliche Abschluss. Mit «X», «Pearl» und «MaXXXine» schuf er die vermutlich in sich stimmigste Genre-Trilogie seit dem legendären Triptychon «Die Nacht der lebenden Toten» (1968), «Zombie» (1978) und «Zombie II: Das letzte Kapitel» (1985) von George A. Romero. 

MaXXXine ★★★★☆

Horrorthriller

Mit Mia Goth, Elizabeth Debicki, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Kevin Bacon, Moses Sumney, Halsey

Regie & Drehbuch: Ti West

USA/NZ 2024, ab 18. Juli 2024 im Kino

Reviews zu «X» und «Pearl»

Im Gegensatz zu «MaXXXine» liefen die ersten zwei Teile der «Ti West x Mia Goth»-Trilogie nicht in den Schweizer Kinos. Als VoD, UHD, Blu-ray und DVD sind sie aber verfügbar.

1979 fährt die Crew um Wayne (Martin Henderson) ins texanische Hinterland, um auf der Farm des alten Howard (Stephen Ure) einen Porno zu drehen. Mit dabei: Waynes Freundin Maxine (Mia Goth), die ein Star werden will. Dummerweise wecken die jungen Filmemacher die Aufmerksamkeit von Howards labiler Frau Pearl (auch Goth) – mit mörderischen Folgen.

Der Auftakt zur Trilogie ist ein Schlitzerfilm mit Seitenhieben auf die Generationenschere, der die Tragik des Älterwerdens durchaus ernst nimmt. Mia Goth brilliert in der Doppelrolle, als Pearl in fast groteskem, aber überzeugendem Ganzkörper-Makeup. Abgesehen davon, dass «X» viele zeitgenössische Slasher alt aussehen lässt, zitiert er zahlreiche 70er-Filme, allen voran Tobe Hoopers Klassiker «Blutgericht in Texas» (The Texas Chain Saw Massacre, 1974).

In «MaXXXine» greift Ti West das wieder auf: Eine Schlagzeile mit Bezug auf die Ereignisse in «X» lautet: «The Texas Porn Star Massacre».

Während 1918 die Spanische Grippe und der Erste Weltkrieg wüten, lebt die junge Pearl (Mia Goth) mit den Eltern alleine auf ihrer Texaner Farm, während ihr Mann als Soldat in Europa dient. Da führt eine Variéte-Truppe ein Tanz-Casting durch. Pearl sieht die Chance, dem Provinzmief zu entrinnen. Doch ihre gestrenge Mutter (Tandi Wright) würde sie nie ziehen lassen.

Der Mittelteil ist wie ein klassisches Hollywood-Melodrama aufgebaut, das zum blanken Horror mutiert. Unaufhaltsam gerät Pearl, die eigentliche Sympathieträgerin, in eine Abwärtsspirale, die im Verlust ihres Verstandes mündet. Die Farbsättigung und Bildsprache erinnern oft an den Wohlfühl-Klassiker «Der Zauberer von Oz» (The Wizard of Oz, 1939), dessen Mantra «There’s no place like home» West gnadenlos in einen zeitlosen Albtraum ummünzt. Und auch hier ist Mia Goth eine Wucht.

Verweise und Referenzen in «MaXXXine»

Wie in «X» und «Pearl» sind die Zitate und Referenzen in «MaXXXine» zahlreich, nicht nur in Bezug auf Filme selbst. So gab es tatsächlich Pornostars, die wie Maxine (zumindest vereinzelt oder vorübergehend) den Sprung ins «seriöse» Filmgeschäft schafften, und das meistens via Horror; z.B. Marilyn Chambers, Traci Lords und Chuck Peyton alias Jeff Stryker. «MaXXXine» verweist vor allem auf urbane Thriller der 80er, und es ist kaum Zufall, dass darunter vier US-Produktionen ins Auge stechen, die alle 1984 in die Kinos kamen:

In seiner frühen Karriere eiferte Brian DePalma seinem Idol Alfred Hitchcock nach. Böse Zungen bezeichneten es als kopieren, in Wahrheit huldigte er dem «Master of Suspense». War sein Thriller «Dressed to Kill» (1980) eine Hommage an «Psycho» (1960), dem «MaXXXine» mehr als bloss die Reverenz erweist, ist «Der Tod kommt zweimal» DePalmas Version von «Das Fenster zum Hof» (Rear Window, 1954) – im Hollywood der 80er, inklusive Serienmörder mit über-phallischer Bohrmaschine. «MaXXXine» teilt damit das Schauspielmilieu und den Schauplatz, teils aber auch die visuelle Ästhetik.

Der New Yorker Abel Ferrara drehte alle seine frühen Filme im Big Apple, und schon «The Driller Killer» (1979) und «Die Frau mit der 45er Magnum» (Ms. 45, 1981) schwelgen in der düster brodelnden Grossstadt-Atmosphäre, die auch «MaXXXine» eigen ist. Im Stripper-Killer-Thriller «Manhattan 2 Uhr nachts» kommt auch noch der Neon-Look dazu. Ferrara diente zudem höchstselbst als Inspirationsquelle für Ti Wests Trilogie: Sein Erstling «9 Lives of a Wet Pussy» (1976) ist ein waschechter Porno.

Auch der 2012 verstorbene Danny Steinmann weist mit «High Rise» (1973) einen Porno als Regiedebüt auf. Im Gegensatz zu Ferrara drehte er aber bloss drei weitere Filme, darunter den Rape-and-Revenge-Schocker «Savage Streets». Die Verfolgungsszene mit dem Buster-Keaton-Imitator in «MaXXXine», die im schmerzhaften «Eiertütsch» gipfelt, könnte in den exakt selben Hinterhöfen und Seitengassen wie «Savage Streets» gedreht worden sein. Ti West verweist auch ganz konkret auf Steinmann: Kurz bevor Maxines Kumpel Leon (Moses Sumney) in seiner Videothek abgestochen wird, blättert er in Ausgabe #45 des Horror-Magazins Fangoria, dessen Cover ein Foto aus «Freitag der 13. Teil V: Ein neuer Anfang» (1985) ziert – dem letzten Film von Steinmann.

Der New Yorker Larry Cohen (1936–2019) avancierte dank Blaxploitation-Krachern wie «Godfather of Harlem» (Black Caesar, 1973) und dem Okkult-Horror «God Told Me To» (1976) zum Spezialisten für grimmige urbane Thriller. Mit «Hollywood Kills» schuf er einen frühen Meta-Reisser: Ein durchgeknallter Regisseur tötet im Affekt eine Nachwuchs-Aktrice vor laufender Kamera und entscheidet kurzerhand, daraus einen Film zu machen, der seine serbelnde Karriere retten soll. In der Zeichnung des Hollywood-Milieus enthält «MaXXXine» Parallelen, und in Wests Tagline «Hollywood is a killer» hallt der deutsche Titel von Cohens Streifen fast eins zu eins wider.

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Von Patrick Schneller am 18. Juli 2024 - 09:29 Uhr