Kaum sind die letzten Känguru-Hoden im RTL-«Dschungelcamp» vertilgt, geht am 4. März die nächste Realityshow los. Und zwar nicht irgendeine, sondern quasi die Mutter dieser Formate: «Big Brother». 13 Staffeln wurden seit dem Start im Jahr 2000 produziert, dazu elf mit mehr oder weniger prominenter Besetzung wie Jenny Elvers (gewann die erste Promi-Ausgabe 2013), David Hasselhoff, Mario Basler oder Nino de Angelo.
Das Konzept der Show hat sich laufend verändert: Mal wohnten die Kandidatinnen und Kandidaten in einem Container, mal in einem Haus; mal im Luxusbereich, mal im dunklen Keller; mal hatten sie ein Geheimnis zu verbergen, mal nicht. Immer wieder versuchte man, der Show neues Leben einzuhauchen. Zu Beginn bei RTL 2, zuletzt bei Sat 1 und dessen hauseigenem Streamingdienst Joyn.
Exakt 24 Jahre nach der allerersten Ausstrahlung geht es nun ganz bewusst zurück zu den Wurzeln. «Wir zeigen, was keine andere Sendung im Reality-Genre derart in ihrem Kern hat: authentische Menschen», erklärt Thomas Münzner gegenüber TELE. Münzner ist Vice President Content, also verantwortlich für die Programminhalte von Joyn. Im linearen Fernsehen wird «nur» die Eröffnungsshow am 4. März übertragen sowie montags um 22.50 Uhr jeweils eine Live-Ausgabe mit der Zusammenfassung der Woche, inklusive der Nominationen und/oder Auszüge der Bewohnerinnen und Bewohner.
Das Gesicht dieser Sendungen ist erneut Jochen Schropp. Wem eine Dosis pro Woche zu wenig ist: Bei Joyn lässt sich via Livestream die voyeuristische Ader rund um die Uhr ausleben. Denn seien wir ehrlich: Genau das ist die DNA von «Big Brother». Genau das sorgte vor mehr als zwei Jahrzehnten für einen entsprechend grossen Aufschrei. Hatte man bis dahin die Privatsphäre als hohes Gut menschlicher Existenz betrachtet, liessen sich hier wildfremde Menschen einsperren und über 100 Tage von Kameras beobachten. Sogar unter der Bettdecke – allein oder zu zweit. Und das freiwillig!
Tiefer, dachte man damals, konnte das Fernsehen wahrlich nicht mehr sinken. Nun gut, Social Media, Instagram oder Tiktok gab es noch nicht, und auch die Invasion der Influencer lag in weiter Ferne. TV-Überraschungen wie «Big Brother» waren anno dazumal noch möglich.
«Wir zeigen authentische Menschen.»
Thomas Münzner, Joyn
Auch in der Schweiz ging der «Grosse Bruder» anno 2000 an den Start. Natürlich nicht bei SRF, sondern bei TV 3. Da liefen allerdings nur zwei Staffeln, da der Privatsender nicht länger überlebte. Hüben wie drüben galt: Offiziell wollte niemand die Show gesehen haben. Die Quoten indes sprachen eine andere Sprache – zumindest in den ersten Jahren. In Deutschland verfolgten bis zu 4,7 Millionen die erste Staffel. Die Show sorgte für Gesprächsstoff im Büro und auf dem Pausenplatz.
Insbesondere die Entwicklung der fast schon rührenden Männerfreundschaft zwischen Zlatko («Sladdi») und Jürgen erwies sich als Publikumsmagnet. Womöglich lag es tatsächlich an ihrer Authentizität: Der eine war Mechaniker, der andere Metallbauer, beide hatten zuvor nie Kontakt mit der Show-Welt gehabt. Wenn Sladdi Sprüche raushaute wie: «Ich denke nicht nach. Ich sage nur, was ich denke», dann wirkte das erfrischend natürlich.
Auf einen solchen Publikumseffekt hofft Sat 1 nun erneut. «Wir haben Menschen ausgesucht», betont Münzner, «die ihren Lebensunterhalt nicht damit bestreiten, vor Kameras zu stehen – egal, ob TV- oder Handykamera.» Was bedeutet: Irgendwelche billigen Reality-Sternchen oder Möchtegern-Influencer kommen uns nicht ins Haus! Offenbar wurde dies bei der Auswahl ernst genommen: Alle Bewerber/-innen checkte man darauf ab, wie ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken aussieht, wie viele Follower sie haben und ob sie schon an anderen Shows teilgenommen hatten. Ausgesucht wurden laut Münzner Personen, «die ein komplett unterschiedliches Leben führen und sonst wohl nie zusammengekommen wären».
Der Gedanke, nach all den affektierten Kims, Tims, Coras und wie sie im Dschungel alle hiessen, einfach mal wieder normale Menschen in einem Reality-Format zu sehen, ist ja durchaus reizvoll. Doch ob Max Mustermann und Nora Normalverbraucher in der heutigen Zeit für genauso viel Drama sorgen können? Denn davon lebt ein solches Format im Endeffekt. Die Verantwortlichen bei Sat 1 und Joyn hoffen darauf, dass «Big Brother» gewissermassen zu einem 100-tägigen Begleiter wird. «Die Leute sollen abends vor dem Schlafengehen noch kurz in den Container reinschauen und am anderen Morgen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern wieder in den Tag starten», beschreibt Thomas Münzner das Ziel.
Das Leben im Container hat sich in den letzten 24 Jahren jedenfalls kaum verändert: Es lockt ein einmaliges Abenteuer – und 100 000 Euro Siegprämie. Oder um nochmals Sladdi zu zitieren: «Reingehen, Spass haben, Kohle kassieren, danke schön, auf Wiedersehen.»
Sat 1 | Realityshow
Der Einzug, live
Montag, 4. März 2024, 20.15 Uhr