Eigentlich war «Die Toten von Marnow» (2021) als Miniserie angelegt. Doch dann sahnte der Achtteiler so viel Lob und Preise ab (unter anderem je einen Deutschen Fernsehpreis für die Hauptdarsteller Sascha Alexander Geršak und Petra Schmidt-Schaller), dass das eigenwillige Ermittlerduo Lona Mendt und Frank Elling nun erneut randarf. Und zwar unter dem etwas sperrigen Titel «Finsteres Herz – Die Toten von Marnow 2».
Leider weicht die Vorfreude schon in der Auftaktfolge einer gewissen Ernüchterung: Die Helden werden angeschossen und liegen fortan im Spital im Koma. Doch keine Angst: Aus Zuschauersicht ist das nicht weiter tragisch. Verzichten müssen wir auf Frank Mendt und Lona Elling nicht. Der Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt wagte nämlich ein reizvolles Experiment: Er erzählt den Kriminalfall in zwei raffiniert miteinander verwobenen Zeitebenen, zwischen denen gerade mal vierzehn Tage liegen. In Rückblenden sehen wir die beiden liebgewonnenen Cops, die in einem rätselhaften Mordfall bis zur verhängnisvollen Schiesserei ermitteln.
Wie es dazu kam, sollen nun zwei viel weniger charismatische Polizisten herausfinden: Maja Kaminski (Sabrina Amali) und Hagen Dudek (Bernhard Conrad) übernehmen als Sonderermittler den Fall. Das Problem: Sämtliche Aufzeichnungen über die Recherchen von Mendt und Elling wurden von unbekannter Seite unwiderruflich gelöscht. Die Folge: Kaminski und Dudek müssen mit den Ermittlungen ihrer im Koma liegenden Kollegen neu beginnen. Zusätzlich gilt es herauszufinden, wer die Neuen daran hindern will, die Arbeit ihrer Vorgänger zu rekonstruieren.
Wie schon in Staffel 1 nimmt das Privatleben der Ermittler viel Raum ein. Die Frau von Frank ist fort, die Tochter zieht aus, die demente Mutter ein. Doch der Cop tut sich was Gutes und kauft einen Porsche. Bei Lona hat das Schicksal ungleich heftiger zugeschlagen: Ihr Mann und die zwei Kinder kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Dieser Verlust hat die einst so taffe Kommissarin aus ihrer Welt herausgerissen und ihre Vorstellung von Gerechtigkeit um eine Dimension erweitert, die weit über das Gesetz hinausgeht. Seit dem Tod ihrer Familie schaudert es sie, wenn Kinder in Kriminalfälle verwickelt sind.
«Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sind Actionszenen für mich anders belegt. Wenn Maschinengewehre zu feuern anfingen, traf es mich jedes Mal bis ins Mark.»
Petra Schmidt-Schaller
Im vorliegenden Fall muss Lona diesbezüglich gleich mehrfach untendurch. Es geht um osteuropäische Menschenhändler, um verkaufte Kinder, um Migranten, die wie Abfall behandelt und entsorgt werden und um jugendliche Leichen, die im Wald verscharrt wurden. Zu unguter Letzt spinnt sich auch noch ein Netz aus Vertuschung und Korruption um Politik und Polizei.
Lona-Darstellerin Petra Schmidt-Schaller kam bei den Dreharbeiten mehrmals an ihre Grenzen: «Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges sind Actionszenen für mich anders belegt. Wenn Maschinengewehre zu feuern anfingen, traf es mich jedes Mal bis ins Mark.» Sie habe sich daher vor jeder zu drehenden Schiesserei mental wappnen müssen, räumt die 44-Jährige ein.
Der Sechsteiler liefert deutsches Krimihandwerk in bester Nordic-noir-Qualität. Kaltes, diffuses Licht taucht Mecklenburgs Wälder und die von Nebelschwaden überzogenen Äcker ins Dunkel – noch verstärkt durch sphärisch bedrohliche Hintergrundmusik. Die Figuren werden erneut nahbar und sympathisch gezeichnet: Trotz oder gerade wegen ihrer seelischen Abgründe, Defizite und beschwerlichen Vergangenheit kommen sie sehr menschlich rüber. Es ist eine wahre Freude, diesen Ermittlern mit Ecken und Kanten zuzuschauen, wenn sie wiederholt, ohne zu zögern, Dienstvorschriften ignorieren. Hauptsache, sie gelangen so schneller an wichtige Beweismittel oder Informationen.
Krimiserie
Mit Sascha Alexander Geršak, Petra Schmidt-Schaller, Sabrina Amali, Bernhard Conrad
Samstag, 7. Dezember, 20.15, ARD (Folgen 1–4/6)
Mittwoch, 11. Dezember, 20.15, ARD (Folgen 5+5/6)