Es gibt viele Gründe, warum man bei einer Serie hängenbleibt und ob man sie seinen Freunden weiterempfiehlt oder lieber rasch wieder vergisst. Manchmal ist es die Story, die einen packt. Dann wieder sind es die Schauspieler, das überraschende Thema, die irrwitzigen Dialoge oder gern auch mal die fetzige Musik. Im Fall von «Die Zweiflers» ist es gleich alles zusammen.
Die sechs Mal 45 Minuten erzählen aus dem Leben der jüdischen Familie Zweifler in Frankfurt. Sie besitzt eine Delikatessladenkette, die Opa Symcha (Mike Burstyn) nun verkaufen will. Als er dies der versammelten
Familie eröffnet, ist Tochter Mimi (grossartig: Sunnyi Melles) entsetzt, seine Frau Lilka erleichtert – und den Enkeln Samuel und Leon (gespielt von den Brüdern Aaron und Leo Altaras) geht es irgendwie am Arsch, sorry: am Tuches vorbei.
Mit schnellen Schnitten und einer stets nahen Kamera fühlt man sich beim Zuschauen fast wie ein weiteres Familienmitglied, verschmilzt also geradezu mit diesem kunterbunten Familienhaufen. Da wird gelacht, gegessen, geschrien, geherzt, geflucht (gerne auch auf Jiddisch) und gestritten.
Bald schon mal ist man überfordert. Spätestens als der älteste Enkel Samuel der Familie seine Freundin Saba (Saffron Coomber) vorstellt: Sie hat Wurzeln in London und der Karibik und ist keine Jüdin. Und dann ist die Schickse auch noch schwanger!
Der K(r)ampf, ob das Kind einst jüdisch aufwächst oder nicht, ist nur eine weitere Baustelle im chaotischen Familienleben. Die Zweiflers werden nämlich gefühlt täglich mit neuen Widrigkeiten konfrontiert. So hat Enkel Leon, ein junger Künstler, die Familienmitglieder auf einem Gemälde allesamt splitternackt und mit Würsten in diversen Körperöffnungen verewigt. Und Opa wird von einem alten Kumpel erpresst, Mimi von ihrem Mann hintergangen, und … Ach, es nimmt keine Ende!
Diese Serienperle ist jede Minute wert. Zu Recht wurde «Die Zweiflers» vom Branchenblatt «Variety» als «jüdisches ‹Succession›» bezeichnet. Anfang April gewann die Serie von Showrunner David Hadda in Cannes die Auszeichnung in der Königskategorie «Beste Serie»; zudem wurden Marko Nyberg und Petja Virikko mit dem Preis für die beste Musik geehrt.
«Die Zweiflers» ist kein Klamauk, aber auch keine Tragödie. Sie berührt einen auf eine Weise, dass man gleichzeitig lachen und weinen möchte. Und es auch tut.
ARD | Miniserie
Mit Sunnyi Melles, Aaron Altaras, Mike Burstyn
Freitag, 10. Mai 2024 Alle 6 Folgen am Stück