Didier Cuche lebt mit seiner Familie abgeschieden im Jura am Fusse des Chasseral. Er ist immer noch viel auf der Piste. Natürlich mit seinen Kindern, aber auch als Markenbotschafter von Audi und Head, als Präsident des regionalen Skiverbands Giron Jurassien oder für die Stiftung Passion Schneesport, die junge Talente aus Familien mit geringen Einkommen unterstützt.
In Wengen blieb Cuche ein Sieg verwehrt, er wurde dreimal Zweiter. Dafür gewann er in Kitzbühel fünfmal die Abfahrt und einmal den Super-G, bis heute unübertroffen.
Tele.ch Wurmt es Sie eigentlich, dass Sie die Lauberhornabfahrt nie gewannen?
Didier Cuche Es wäre natürlich schön gewesen, aber wurmen ist übertrieben. Bei einem zweiten Platz ist es ja immer noch zu 95 Prozent aufgegangen (lacht). Andere am Start können auch besser sein. Das muss man akzeptieren, sonst stehst du dir selber im Weg.
Was braucht es denn in Wengen und was in Kitzbühel, um zu gewinnen?
Das ist extrem schwierig zu erklären. Kitzbühel war vielleicht mehr auf meine Grundfähigkeiten zugeschnitten. Aber selbst dort hat es nach meinem ersten Sieg 1998 zehn Jahre gedauert, bis ich wieder zuoberst stand. Danach aber fast jedes Jahr. Anscheinend hat es einfach gepasst. In Kitzbühel ist es etwa so, als ob du mit dem Rücken zur Wand stehst, und dann musst du alles abrufen, was du draufhast. Und bei mir hat sich dann immer das Beste herauskristallisiert.
Und am Lauberhorn?
In Wengen ist es die Vielfalt, die dem Fahrer alles abverlangt. Man muss konditionell und im Gleiten top sein. Man muss Mut haben, vom Hundschopf bis zur Wasserstation – und unten nochmals im Ziel-S, wenn du müde bist und die Oberschenkel brennen. Auch Technik ist immer wieder gefragt.
Zweimal lag der Amerikaner Bode Miller vor Ihnen und einmal der Österreicher Klaus Kröll um winzige 14 Hundertstel, als er eine super Saison hatte.
Genau! Wo ist bei 14 Hundertstelsekunden noch der Unterschied? Was ist dann richtig gemacht worden und was falsch? Es muss einfach überall perfekt stimmen, damit man zuoberst steht.
Marco Odermatt ist zwar Abfahrtsweltmeister, wartet aber im Weltcup nach acht zweiten Rängen immer noch auf seinen ersten Sieg.
Der wird kommen – und er wird nicht nur einmal gewinnen. Bormio ist der beste Beweis. Dieses Rennen hätte er eigentlich gewonnen. Aber dann kam mit Cyprien Sarrazin einer, der noch nie gesiegt hatte, und zeigte den besten Lauf seiner bisherigen Karriere. Nochmals: Mit dem Niveau, das Odermatt fährt, ist es nur eine Frage der Zeit. Ich hoffe einfach, dass er nicht ungeduldig wird und es übertreibt. Aber dass er mit Druck umgehen kann, hat er schon mehrmals bewiesen.
Was macht Odermatt für Sie zum Ausnahmetalent?
Bei ihm stimmt momentan einfach extrem vieles: Mut, Technik, Taktik. Sein Können und seine Gleichgewichtsfähigkeit sind enorm. Er weiss, wo es Risiko braucht und wo nicht. Einer, der immer alles riskiert, landet irgendwann im Netz. Seine mentale Reife ist bereits erstaunlich. Er weiss genau, wie er etwas angehen muss. Er bewegt sich auf einem Level wie noch selten einer in der Geschichte des Skisports.
Und wie sieht es mit dem Rest des Schweizer Teams aus?
Es ist ein solides Team mit sehr viel Potenzial. Marco ist das Vorbild, das motiviert natürlich, und daran orientieren sich die anderen. Sie können schon etwas vom Schwung profitieren, den Odermatt vorgibt. Aber abliefern muss dann jeder selber. Beim einen oder andern klappt’s. Wir haben eine gesunde Dichte im Weltcup. Das sieht man daran, wie viele verschiedene Athleten bei den Speedrennen in die Top 15 fahren.
Dann müssen wir uns um die Zukunft also nicht sorgen?
Nein, auch im Europacup sieht es gut aus. Es ist sogar schwierig, überhaupt einen Startplatz im Schweizer Team zu bekommen. Das ist eine gesunde Entwicklung und fast schon ein Luxusproblem. Aber das Eis ist dünn, es braucht nur ein, zwei Verletzte pro Saison.
Sie meinen, ohne Odermatts 2000 Weltcup-Punkte …
… geht die Nationenwertung schnell wieder an Österreich – genau!
Live aus Wengen
Kommentar: Stefan Hofmänner/Beat Feuz
Samstag, 13. Jan., 12.00 Uhr, SRF 2