Soll man straffällig gewordene Jugendliche einsperren oder ihnen mit Verständnis begegnen? Diese Frage greift «Hartes Pflaster» auf. Dabei lässt die Westschweizer Dramaserie im Originaltitel die Antwort bereits durchsickern: «Délits mineurs» kann sowohl «Delikte Minderjähriger» als auch «Unerhebliche Delikte» bedeuten.
Der Schauplatz Genf schildert den Alltag einer dunkelhäutigen Polizistin, einer engagierten Jugendrichterin und einer eigensinnigen Sozialarbeiterin. Alle drei haben jeden Tag mit jungen Menschen zu tun, die sich durch ihr delinquentes Verhalten in Schwierigkeiten gebracht haben. Gemeinsam versucht das Trio, ihnen zu helfen, wieder Hoffnung und eine Perspektive zu geben.
Einer dieser Jugendlichen ist Marek (Stéphane Eros), der bei einem Einbruch mehrere Stangen Zigaretten geklaut hat. Der 15-Jährige kommt in Untersuchungshaft, hüllt sich bei den Anhörungen aber in Schweigen. Seine Situation verschlimmert sich dramatisch, als ihm seine Mutter bei der richterlichen Anhörung die elterliche Fürsorge aufkündigt. Marek sei auf bestem Weg, zu werden wie sein Vater: ein gewalttätiger Drogendealer. Und sie weigere sich, ihm dabei zuzuschauen.
Doch richtig bedrohlich wird es für Marek, als der Mord an einer vermissten Jugendlichen mit seiner Diebestour in Verbindung gebracht wird. Der Junge gerät unter Mordverdacht. Die Ernsthaftigkeit dieser neuen Situation stellt die drei Frauen vor neue Herausforderungen und vor die Frage, die eingangs gestellt wurde.
Noémie Schmidt («Wolkenbruch») hat diese Frage für sich längst beantwortet. Sie mimt die Sozialarbeiterin Anaïs und gibt im Gespräch mit tele.ch zu bedenken, dass man erst begreifen müsse, warum Jugendliche straffällig oder gewalttätig werden, ehe man sie verurteile. «Gewalt ist für sie eine Form, Wut auszudrücken. Und ich verstehe sehr gut, warum die Jugendlichen von heute wütend sind, wenn sie zusehen müssen, wie die Regierungen rund um den Globus beim Umgang mit Problemen wie Klimawandel und Rassismus total versagen.»
Die Figuren und Handlungen der Serie basieren auf echten Zeugenaussagen. «Eine Jugendsozialarbeiterin, die zwanzig Jahre lang in Genf tätig war, half den Drehbuchautoren, den Plot so realistisch wie möglich zu halten», sagt Schmidt.
Als Zuschauer fällt es einem aber nicht immer leicht, das bedingungslose Verständnis von Anaïs nachzuvollziehen. Etwa wenn sie Marek ihre Hand entgegenstreckt, er jedoch bedrohlich auf sie zuläuft, mit der Faust auf den Tisch schlägt und die verängstigte Frau anschreit: «Suchst du Streit?! Auf deine Scheisse kann ich verzichten. Verpiss dich!» Dabei spricht die Statistik durchaus für die sanfte Methode. Demnach soll die Rückfallquote mit 35 bis 45 Prozent wesentlich tiefer sein als bei repressiven Systemen, wo sie bis zu 80 Prozent beträgt.
Am Schluss des Gesprächs betont Noémie Schmidt noch, was sie bei den Dreharbeiten der Serie besonders beeindruckt habe: die Leistungen der jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspieler. «Das sind Laien – und doch haben sie alle so verdammt gut gespielt!» Dem lässt sich fürwahr nichts hinzufügen.
Play Suisse | Dramaserie | 1. Staffel | CH 2023
Mit Noémie Schmidt, Marie Gillain, Assa Sylla, Stéphane Eros
Ab Mi., 22. November 2023, 20.10 Uhr auf SRF 2
täglich in Doppelfolgen (1+2/8)
Alle Folgen auch auf Play Suisse abrufbar