Eine Serie, in der Schachfiguren die Hauptrolle spielen, klingt jetzt nicht gerade nach viel Spass. Zugegeben, diese Hypothese wurde bereits vor vier Jahren durch den Überraschungserfolg «Das Damengambit» widerlegt. Jene US-Dramaserie um eine geheimnisvoll-geniale Schachspielerin brach nach gerade mal drei Wochen den Abrufrekord bei Netflix. Nun ist also Arte am Zug und macht mit der Miniserie «Rematch» ebenfalls eine gute Figur.
Denn wie die Hauptfigur in dieser Geschichte sagt: Schach ist nicht bloss ein Brettspiel. Schach ist Krieg in seiner ursprünglichsten Form. Zwei Armeen auf einem Schlachtfeld mit präzisem Marschbefehl für jeden Einzelnen. Und jede Armee hat nur ein Ziel: den Tod des feindlichen Königs. Würde man alle möglichen Spielkombinationen im Schach berechnen, erhielte man 10 hoch 123 mögliche Züge. Das ist eine Eins mit 123 Nullen. Eine Zahl, die vermutlich höher ist als die Anzahl aller Atome im gesamten Universum.
Die zentrale Figur in «Rematch» heisst Garri Kasparow (Christian Cooke). Die Geschichte, die erzählt wird, hat sich im Wesentlichen genau so zugetragen: Kasparow ist Russe, 33 Jahre alt und amtierender Schachweltmeister. Er bereitet sich 1996 in Philadelphia auf ein ungewöhnliches Turnier vor. Statt mit einem menschlichen Gegner nimmt er es aber mit Deep Blue auf, einem Hochleistungsrechner, den ein IBM-Mitarbeiter (Orion Lee) mit dem Spitznamen PC «Peinlicher Computernerd» in unzähligen Stunden Fleissarbeit konstruiert und mit allen bisherigen Schachpartien Kasparows gefüttert hat. Der Russe gewinnt die Begegnung mit 4:2.
Ortswechsel: Während dieser Wettkampf läuft, stellt Helen Brock (Sarah Bolger), die Chefin der IBM-Produktentwicklung, dem Vorstand das erste Intranet der Firma vor. Doch mitten in der Präsentation stürzen die Firmenserver ab. Der Grund: Viel zu viele Userinnen und User sind gleichzeitig online, um das Schachspiel Mensch gegen Maschine mitzuverfolgen. Der Zwischenfall bringt Helen Brock auf eine Idee: Sie fordert Kasparow zu einer Revanche gegen Deep Blue auf. Damit erhofft sie sich mehr Aufmerksamkeit für die kriselnde Firma IBM – vor allem aber für sich selbst.
Nach der verlorenen Begegnung in Philadelphia muss sie aber erst einmal beweisen, was ihre Abteilung zu leisten vermag. Kurzerhand stellt sie PC alle Ressourcen zur Verfügung, um einen neuen Rechner zu bauen, der mindestens fünfmal schneller sein soll als der alte. Das Rematch soll ein Jahr später in New York stattfinden – unter grösstmöglicher Medienpräsenz. Nur: Weltmeister Kasparow muss erst noch überzeugt werden. Seine Dickköpfigkeit ist mindestens so ausgeprägt wie sein Schachtalent.
Die Serie ist als spannende Psychothrillerserie inszeniert – mit einem hoch konzentrierten Kasparow, der kompromisslos sein Ding durchzieht und zwischendurch auch mal ein paar Liegestütze oder Rumpfbeugen hinlegt, um seine Energie zu kanalisieren. Seine Verletzlichkeit zeigt sich lediglich in zwei Situationen: wenn er eine Partie gegen Deep Blue zu verlieren droht; und wenn er auf sein Kind angesprochen wird, das er nicht sehen darf, da seine Ex-Frau jeglichen Kontakt – aus welchen Gründen auch immer – vehement blockiert.
Vor allem aber wirft «Rematch» Fragen zum Thema Künstliche Intelligenz auf und was diese für die Menschheit bedeuten könnte. Fragen also, die aktueller und brisanter sind denn je.
Arte | Miniserie
Mit Christian Cooke, Orion Lee, Sarah Bolger
Donnerstag, 17. Oktober 2024, 21.40 Uhr, 1–3/6
Donnerstag, 24. Oktober 2024, 22.00 Uhr, 4–6/6