«Eines Tages werden wir unseren Kindern erzählen, dass der Berg hier uns gehört», sagt André Morel (gespielt vom Freiburger Cyril Metzger) in der Anfangssequenz der neuen Schweizer Dramaserie «Winter Palace» zu seiner Ehefrau Rose (Manon Clavel). «Man darf doch träumen.» Das tut der junge Mann tatsächlich, als er sich Ende 1899 in den Kopf setzt, mitten in den winterlichen Alpen ein Fünf-Sterne-Hotel zu eröffnen. Eine gewagte Idee, die auf enormen Widerstand stösst.
Er schafft es jedoch, den reichen Briten Lord Fairfax (Simon Ludders) als Investor zu gewinnen, weil dieser sich für den Tod von Andrés Vater verantwortlich fühlt. Morel indes hat keine Skrupel, seinen Hotel-Traum zu realisieren: Er greift auch zur Lüge oder opfert persönliche Beziehungen.
Das macht es zuweilen etwas schwer, Sympathien für die Hauptfigur zu entwickeln. Natürlich kommen Liebesirrungen und -wirrungen ebenso wenig zu kurz wie geschliffene Widersacher. Zum einen ist das ein reicher Eisenbahnbaron, gespielt von Clive Standen (dem Rollo aus «Vikings»), zum anderen der Dorfpfarrer (Antoine Basler), der in einem solchen Hotel einen potenziellen Sündenpfuhl sieht.
Die Geschichte des achtteiligen Epos – die erste Co-Produktion des Westschweizer Fernsehens RTS mit Netflix – beruht auf wahren Begebenheiten. Erzählt wird gewissermassen von den Anfängen des Luxustourismus in den Schweizer Bergen. Die britische Drehbuchautorin Lindsay Shapero liess sich dabei vom Leben des Walliser Hotelpioniers César Ritz (1850–1918) inspirieren, wie RTS-Produzent Patrick Suhner gegenüber TELE erklärt. «Die Serie ist aber keineswegs als Ritz-Biographie zu verstehen. Auch das Hotel ist frei erfunden.»
Die Zusammenarbeit mit Netflix sei für das Projekt ein «Game Changer» gewesen. Hier findet sich laut Suhner von RTS gar eine Analogie zur Handlung: «Wie es Lord Fairfax in der Serie für André Morel tut, traf Netflix die etwas verrückte Entscheidung, den kühnen Welschen zu vertrauen!» Bekanntlich sind Streaming-Anbieter seit 2022 verpflichtet, mindestens vier Prozent ihrer inländischen Einnahmen in hiesige Produktionen fliessen zu lassen. «Diese Zusammenarbeit», erzählt Patrick Suhner, «hat das Projekt überhaupt erst ermöglicht.»
Was auffällt: Schon bei «Gotthard» (2016), «Frieden» (2020) oder im letzten Jahr «Davos 1917» setzte die SRG auf einen historischen Stoff. «Gerade für solche Produktionen sind erhebliche finanzielle Mittel nötig, da sie die Rekonstruktion von Kulissen und Requisiten vergangener Zeiten beinhalten.» Rund 40 Schauspieler/-innen, 700 Statisten sowie 160 Mitarbeitende aus dem technischen und künstlerischen Bereich liessen sich tagtäglich in jene Epoche um die Jahrhundertwende zurückversetzen.
Die Dreharbeiten starteten im Oktober 2023 und dauerten gut 18 Wochen. Als Aussenkulisse diente das Chorherrenhospiz auf dem Simplonpass (siehe kleines Bild rechts), für die Aufnahmen in Morels Heimatdorf, dem fiktiven Ort Champaz, reiste die Filmcrew ins Binntal, die Innenszenen wurden u.a. im Château Mercier in Sierre VS gedreht. Über 6000 Kostüme und dutzende Kutschen bzw. Schlitten kamen zum Einsatz.
Trotz historischem Stoff wirkt die Serie modern, was zum einen an der Machart liegt – von der Kameraführung bis zum Schnitt –, insbesondere aber am immer wieder überraschenden Soundtrack. «Winter Palace» ist eine der aufwendigsten Serien, die je in der Schweiz gedreht wurden. RTS steuerte 7 Millionen Franken bei, Netflix kommuniziert wie üblich keine Zahlen. Suhner: «Die Beteiligung von Netflix bestätigt uns, dass die Serie das Potenzial für ein breites, internationales Publikum hat.» Wie sagt doch André Morel in einer Szene aufgebracht zum störrischen Dorfpfarrer: «Nur in der Schweiz denkt man immer so klein!» Bei «Winter Palace» ist das definitiv nicht der Fall.
SRF 1 | Historienserie | 1. Staffel
Mit Cyrill Metzger, Manon Clavel, Simon Ludders
CH/F 2024, ab 26. Dezember 2024