Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Mit dieser alten Phrase kann sich in Zeiten von Social Media und Cancel Culture niemand mehr aus der Affäre ziehen. Dass es mit der ramponierten Reputation oft nicht getan ist, haben schon etliche Fälle in der jüngeren Vergangenheit bewiesen.
Cancel Culture ist ein Anglizismus, dem man immer häufiger begegnet. Er steht für das Bestreben, Personen oder Institutionen – aufgrund von als ungebührlich empfundenen Aussagen bzw. Handlungen – öffentlich zu boykottieren oder sozial auszuschliessen. Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling etwa sorgte wegen Bemerkungen zu Transgender-Themen für Aufregung. Die Folge: Buchhandlungen nahmen ihre Bücher aus dem Sortiment und Potter-Fanseiten distanzierten sich von ihr. Oder Kanye West: Wegen wiederholter antisemitischer Äusserungen und weiterer kontroverser Auftritte beendeten viele Partner ihre Kooperationen mit ihm; Streaming-Plattformen und Radiosender entfernten die Songs des US-Rappers von ihrer Playlist.
Doch wie kommt ein solches Canceln zustande? Wie kann ein falsches Wort zur falschen Zeit am falschen Ort eine Karriere zerstören? Die britische Miniserie «Douglas Is Cancelled» veranschaulicht, wie ein angeblich sexistischer Witz einen enormen Shitstorm auslöst.
Douglas Bellowes (Hugh Bonneville) ist eine Legende im britischen Fernsehen. Seit Jahrzehnten präsentiert er die Nachrichten mit unerschütterlicher Seriosität. Dann gerät er durch einen Tweet unter massiven öffentlichen Druck. Auf der Plattform X behauptet jemand, Douglas habe auf einer Hochzeit einen sexistischen Witz erzählt. Während der Moderator händeringend seine Karriere zu retten versucht, dreht sich die Abwärtsspirale gnadenlos weiter. Halb England spekuliert, was Douglas gesagt haben könnte, derweil er sich selber nicht mehr erinnern kann, was er da beschwipst von sich gab.
Hilfe erhofft er sich von seiner einiges jüngeren Co-Moderatorin Madeline Crow (Karen Gillan): Mit praxisnahen Übungen bereitet sie ihren Kollegen auf alle möglichen Tricks und Stolperfallen in seiner misslichen Lage vor. Doch handelt Madeline wirklich in selbstloser Absicht, oder verfolgt sie am Ende ihre ganz eigenen Ziele?
«Ein Fehltritt reicht, um ein ganzes Leben zu ruinieren»
Mit bitterbösem Humor führt «Douglas Is Cancelled» eine mediale Welt vor, in der ein Fehltritt reicht, um ein Leben zu ruinieren. Doch war es überhaupt ein Fehltritt oder vielleicht doch nur ein gefundenes Fressen für die stets hungrige öffentliche Meinung?
Die Dialoge sind messerscharf, fadengerade. Etwa wenn Madelines Chauffeur naiv fragt: «Sagt man zu Twitter jetzt X? Ich blick da nicht mehr durch.» – Und sie lakonisch entgegnet: «Niemand tut das.» Oder wenn Douglas’ schwuler Agent sich empört: «Es gibt jetzt Frauenfeindlichkeit UND Sexismus? Wie soll ich mir denn zwei Dinge merken?»
Der von Erfolgsautor Steven Moffat («Sherlock») erdachte Vierteiler kommt kammerspielartig daher und hält die Spannung mit viel Wortwitz und unterschwelliger Bedrohlichkeit bis zum Schluss.
Arte | Vierteilige Mediensatire
Mit Hugh Bonneville, Karen Gillan, Simon Russell Beale
Donnerstag, 6. März 2025, 21:40 Uhr
Alle vier Folgen am Stück