Wie viele Genres lassen sich in eine Serie packen, ohne sie zu überladen? Die deutsch-österreichische Produktion «Schnee» wagt das Experiment und jongliert gleich mit vier Genres. Sie bedient sich beim Mystery-, Grusel-, Thriller- und Krimifach und steckt all das in eine Geschichte, in der die negativen Auswirkungen des Klimawandels thematisiert werden.
Im Mittelpunkt der Serie steht die Ärztin Lucia Salinger (Brigitte Hobmeier). Sie zieht mit Ehemann Matthi (Robert Stadlober) und ihren zwei Kindern von der Stadt ins österreichische Bergdorf Rotten. Anlass für den Umzug ist die zehnjährige Tochter Alma (Laeni Geiseler): Sie leidet an schwerem Asthma, und die gesunde Bergluft soll ihre Krankheit lindern. Zufällig sucht das Dorf auch noch eine neue Betreiberin der Arztpraxis. Der perfekte Job für Lucia.
Matthis Eltern wohnen bereits hier. Sie betreiben ein Hotel im Wintersportort, den aber wegen des Schneemangels kaum noch jemand besucht. Um den schwindenden Skitourismus wieder anzukurbeln, planen sie ein spektakuläres Projekt: Ein Bergrücken in schneesicherer Höhe soll weggesprengt werden und Platz für eine topmoderne Gondelbahn machen.
Doch noch ehe die Bauarbeiten beginnen, gibt der schmelzende Gletscher eine seit 40 Jahren vermisste Frau frei. Für Lucia und ihre Tochter Alma ist das der Anfang von mysteriösen Vorkommnissen. Das Mädchen führt seine Mutter nämlich direkt zum Fundort und behauptet darüber hinaus, mit der Toten zu kommunizieren.
Die Obduktion der erstaunlich gut erhaltenen Leiche zeigt, dass die Frau ermordet wurde. Als Folge davon steht bald Kriminalkommissar Prochazka (Stipe Erceg) auf der nasskalten Matte. Doch warum verhält sich Alma immer merkwürdiger? Und wieso weiss sie Dinge über die Tote, die sie eigentlich gar nicht wissen kann? Als Lucia anfängt nachzuforschen, erfährt sie immer mehr rätselhafte Dinge über ihre neue Heimat.
Und ehe sie sich’s versieht, befindet sie sich inmitten eines merkwürdigen Landvolks und eines alten Hauses voller seltsamer Geräusche – und am Ende stürzt auch noch ihre Ehe in eine Krise. Immerhin entpuppt sich die Betreiberin des Dorfladens (Marie-Luise Stockinger) als Verbündete.
Gletscher schmilzt und spuckt Mordopfer aus – kann man machen. Klimawandel trifft Krimi. Dass man aber mit den übersinnlichen Kräften des Mädchens auch Mysteryfans abholen will, ist schon sehr an den Haaren herbeigezogen.
Welches Publikum soll denn nun bedient werden? Wie fast die gesamte Produktions-Crew von «Schnee» ist auch die Regiearbeit in Frauenhand. Die Salzburgerin Esther Rauch, eine von zwei Regisseurinnen, schickt gleich voraus, sich «künstlerisch in vielen verschiedenen Genres heimisch zu fühlen». Aber darauf komme es gar nicht an: «Relevant für mich sind immer die Figuren, die erzählt werden.»
Damit meint sie vor allem Lucia, eine wissenschaftsgläubige Frau, die nicht an übernatürliche Phänomene glaubt. «Eine Figur wie sie muss nicht immer nur intellektuell unterbaut werden, sondern kann auch einfach ihrem Gefühl folgen.» Eines, das möglicherweise irrational sei, «aber nichtsdestotrotz eine Wahrheit in sich birgt».
Wie auch immer. Hat man sich mit dem Genreknäuel erst einmal angefreundet, entfalten sich die Qualitäten der Serie: die alte, gespenstische Hütte der Familie, die düstere Bergwelt, der sphärische Klangteppich und die in kaltes Blau getauchten Bilder. Auch das Schauspiel-Ensemble beeindruckt.
Die ARD strahlt die sechs Folgen in zwei Tranchen aus: Teil 1 bis 3 am Mittwoch, 29. November ab 20.15 Uhr, den Rest zwei Tage später ab 22.20 Uhr.
ARD | Mysterydramaserie | 1. Staffel | A 2023
Mit Brigitte Hobmeier, Robert Stadlober, Marie-Luise Stockinger
Mi., 29. November 2023, 20.15 Uhr (1–3/6)
Fr., 1. Dezember 2023, 22.20 Uhr (4–6/6)