1. Home
  2. TV
  3. «Das hat mit Service public nichts zu tun!» – Roger Schawinski kritisiert, dass die SRG per Ende 2024 ihr UKW-Netz abstellt
Roger Schawinski im Interview

«Das wird einen Shitstorm geben!»

Ab 2025 empfangen analoge Radiogeräte keine SRG-Sender mehr. Das sei die Folge von Sparmassnahmen. Die SRG spart am falschen Ort und verärgert ihre Kunden, kritisiert Medienunternehmer Roger Schawinski den Entscheid.

Teilen

Merken

Google News

Artikel teilen

«Noch immer nutzt etwa ein Drittel der Schweizer Haushalte UKW:» Radiopionier und Medienunternehmer Roger Schawinski nimmt die SRG scharf in die Kritik.

«Noch immer nutzt etwa ein Drittel der Schweizer Haushalte UKW»: Radiopionier und Medienunternehmer Roger Schawinski nimmt die SRG scharf in die Kritik.

Keystone
TELE
Mischa Christen

Der Entscheid kam selbst für Branchenkenner überraschend: Die SRG hat angekündigt, ihr UKW-Netz per Ende 2024 lahmzulegen. Besitzer von analogen Radiogeräten werden ab 2025 auf den Frequenzen von SRF, RTS und RSI nur noch ein Rauschen hören. Die SRG unternimmt diesen Schritt, obwohl das UKW-Netz in der Schweiz noch bis Ende 2026 betrieben wird, und begründet die Massnahme u. a. mit den Unterhaltskosten und der gesunkenen Nachfrage.

Einer, der diesen Entscheid skandalös findet, ist der Journalist und Medienunternehmer Roger Schawinski (79). Welche fatalen Folgen die UKW-Abschaltung haben wird, erläutert der Betreiber des privaten Senders Radio 1 im Gespräch mit tele.ch

Warum wehren Sie sich so dagegen, dass die SRG Ende Jahr ihr UKW-Netz abstellt?

Roger Schawinski: Weil es überhaupt keinen Sinn macht. Noch immer hören viele Menschen im Land Radio über UKW. Zudem hat der digitale Nachfolger DAB bzw. DAB+ mehr Nach- als Vorteile. Ich interpretiere diesen Entscheid der SRG als politisches Statement, wie schlimm es um sie steht. Und ich frage mich, ob die neue Generaldirektorin Susanne Wille da schon eingebunden war. Ihr wird ein Shitstorm entgegenblasen.

Was für ein Shitstorm?

Von den vielen tausend Kunden, denen man wegnimmt, was noch tadellos funktioniert. Das hat mit Service public nichts zu tun. Ich halte das für eine kurzfristige und nicht nachvollziehbar durchgeboxte Kommunikations- und Unternehmensstrategie.

Aber laut SRG nutzen weniger als zehn Prozent der Bevölkerung noch UKW.

Das betrifft die ausschliessliche UKW-Nutzung. Diese Zahl ist völlig irreführend, ja unsinnig. Noch immer nutzt etwa ein Drittel der Schweizer Haushalte UKW, und Hunderttausende Autos in der Schweiz haben kein DAB+. Unterwegs ist man ja besonders auf den Radioempfang angewiesen.

Autoradios kann man aufrüsten.

Ja, irgendwelche Antennen an die Windschutzscheibe kleben? Was soll das im Jahr 2024? Ist es das, was die zwangsfinanzierte SRG unter Kundenfreundlichkeit versteht?

Die Serafe-Gebühren sinken und zwingen die SRG zu sparen. Im Fall der UKW-Abschaltung sind das jährlich rund 15 Millionen Franken.

Das sagen sie. Überprüfen können wir diese Zahlen nicht. Die SRG spricht auch von Investitionsbedarf. Das ist absurd. Weshalb soll man in UKW-Antennen investieren, die ohnehin bald abgestellt werden? Da fallen höchstens noch Betriebskosten an. Ausserdem entsprechen die 15 Millionen gerade mal einem Prozent des Gesamtbudgets. Der ESC kostet wahrscheinlich dreimal so viel.

Der Verband Schweizer Privatradios (VSP), dem Sie auch angehören, steht hinter dem Entscheid der SRG.

Ja, sie nennen ihn mutig und richtig. Ich finde das opportunistisch. Vielleicht ist es sogar schon zynisch. Die Privatradios wissen genau, dass dieser Entscheid der SRG einen gewaltigen Shitstorm eintragen wird und den Privaten mehr Hörer bringt.

Weil die privaten Radiostationen weiterhin via UKW zu empfangen sind. Ihr Radio 1 würde auch von der Abschaltung profitieren.

Ja, natürlich. Aber ich denke da nicht in erster Linie an mein Geschäft. Ich setze mich für das Medium Radio ein, das sich in einer immer komplexeren Multimedia-Gesellschaft beweisen und behaupten muss. Als in Norwegen das UKW-Netz abgeschaltet wurde, brach der Radiokonsum regelrecht ein. Dann musste man teilweise zurückbuchstabieren, und es wurden wieder kleine UKW-Sender bewilligt.

Auch in der Schweiz sollte das gesamte UKW-Netz per 2023 abgestellt werden. Dank Ihrer Petition wurde das auf Ende 2026 verschoben. Ist dann definitiv Schluss?

Das ist gar nicht sicher. Das wurde zwar so festgelegt, aber ich rechne noch mit viel Gegenwehr, vor allem aus der Westschweiz. Und was viele nicht wissen: Im Gegensatz zu UKW hat DAB+ keine Katastrophen-Strategie.

Was heisst das?

UKW wurde damals als die Technologie verkauft, die durch den Beton geht. Das heisst, die Wellen erreichen auch Bunker und tiefer liegende Anlagen. Im Fall eines Kriegs oder einer Katastrophe soll das Militär schweizweit 70 unterirdische UKW-Sender ausfahren können und so die Kommunikation gewährleisten. Aber was bringen diese Antennen, wenn die Leute keine UKW-Radios mehr besitzen?

Aber dafür gibt’s dann ja DAB+.

Eben nicht. DAB dringt nicht durch den Beton wie UKW. Das heisst, ab 2027 liegt für einen Katastrophenfall keine DAB-Strategie vor. Es gibt überhaupt keine Strategie! Das ist grotesk.

In etwa zwei Jahren kommt die Halbierungsinitiative vors Volk. Denken Sie, die wird angenommen?

Schwierig zu sagen. Sicher ist, dass die SRG gerade jetzt auf sehr viel Goodwill aus der Bevölkerung angewiesen ist. Mit ihrem jüngsten Entscheid erreicht sie genau das Gegenteil.

Kein SRF, RTS und RSI: UKW-Radios gehören für die SRG ab 2025 zum alten Eisen.

Kein SRF, RTS und RSI: UKW-Radios gehören für die SRG ab 2025 zum alten Eisen.

Getty Images
TELE
Mischa ChristenMehr erfahren
Von Mischa Christen am 8. Juli 2024 - 10:00 Uhr