Das Thema ist brisant und politisch brandaktuell: Um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, konzentriert sich die industrialisierte Landwirtschaft auf das Saatgut einiger weniger Sorten, die unter Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln hohe Erträge erzielen. Mit fatalen Folgen für die Natur und die genetische Vielfalt der Pflanzen.
Was, wenn jemand ein neues Saatgut entwickeln würde, das bei jeder Witterung und ohne Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln noch stärkere Erträge brächte? Wie stünde es um die Chancen? Wie um die Gefahren? Diese Fragen wirft der sechsteilige Politthriller «Die Saat – Tödliche Macht» auf.
Die Geschichte beginnt mit Victor Vegener (Jonathan Berlin): Der deutsche Journalist und Umweltaktivist verschwindet auf dem norwegischen Archipel Spitzbergen spurlos. Na ja, nicht ganz: Seine Spur verliert sich am Saatguttresor auf Svalbard, wo Saatgutproben aus der ganzen Welt tief in einem Berg lagern. Wir haben es hier mit einer Art Arche Noah der Welternährung zu tun, die es tatsächlich als Backup nach einer möglichen globalen Katastrophe gibt.
Weil die örtliche Polizei die Suche nach Victor nach nur einem Tag einstellt, reist sein Onkel Max (Heino Ferch), ein grummeliger und gesundheitlich angeschlagener Polizeiausbilder, in die unwirtliche Schönheit des Polarkreises, um seinen Neffen zu suchen. Zögerliche und zu Beginn nur widerwillige Unterstützung erhält Max von der lokalen Polizistin Thea Koren (Ingrid Bolsø Berdal).
Während das Duo also im nördlichsten Norden Norwegens ermittelt, tritt in Brüssel Cheflobbyist Jon Hoffmann (einmal mehr grossartig: Rainer Bock) auf den Plan. Er zieht hinterrücks die Fäden des grössten Saatgutherstellers der Welt und beabsichtigt, einen grossen Mitkonkurrenten zu schlucken.
Dazu muss er aber eine EU-Kommissarin vom Deal überzeugen. Als Repräsentantin einer Ökopartei steht diese der Monopolisierung des Ernährungsweltmarktes allerdings sehr kritisch gegenüber. Hier kommt wieder Victor ins komplexe Spiel, der zuletzt über den Agrarkonzern recherchiert hatte. Sein gescheiterter Einbruch in den Svalbard-Saatguttresor stand vermutlich damit im Zusammenhang.
«Ein in der Nähe herumlungernder Eisbär zwang uns zu einer Drehpause.»
Hauptdarsteller Heino Ferch
In den sechs Episoden baut «Die Saat – Tödliche Macht» einen mehrschichtigen Spannungsbogen auf, der den bildgewaltig inszenierten Thrillerplot mit einem aktuellen Wirtschaftskrimi verbindet. Dabei gewährt die Serie aufschlussreiche Blicke hinter die Kulissen der Agrarmacht und ihrer dubiosen Verflechtung mit der Politik.
Regisseur Alexander Dierbach hatte bei der Umsetzung die Idee, eine Art Abwärtsspirale in Gang zu setzen. Er sah sich mit der Herausforderung konfrontiert, eine Brücke zwischen einem eher klassischen Vermisstenfall und den politischen Drohgebärden, dem Lobbyismus und dem Welthunger zu schlagen. Dierbach erzählt: «Diese Welten miteinander zu verbinden, sie emotional aufzuladen und letztlich ein Brennglas auf politische und wirtschaftliche Machtstrukturen zu richten, war unser erklärtes Ziel.»
Dass neben dem ganzen Zwist auch der (subtile) Humor nicht zu kurz kommt, untermauert eine Szene im Auto: Max fragt, wie man hier im Sommer bloss schlafen könne, wenn während sechs Monaten fast permanent Tageslicht herrsche. Thea meint lapidar: «Es gibt da etwas, das hilft. Es nennt sich Vorhänge. Schon mal davon gehört?» Oder als ein verärgerter Norweger wettert, Max sei genau so, wie man sich einen Deutschen vorstelle: «Ein aufgeblasenes Arschloch».
Gedreht wurde an Originalschauplätzen. Also in Deutschland, Belgien und auch auf Spitzbergen. In der Heimat der Eisbären galten strenge Sicherheitsvorkehrungen für die gesamte Filmcrew. Heino Ferch erinnert sich: «Einmal mussten wir eine Drehpause einlegen, weil sich ein Eisbär in der Nähe des Sets herumtrieb. Es ist zum Glück nichts passiert, aber es war sehr aufregend.»
Mit der Ausstrahlung des Sechsteilers am Samstag- und Sonntagabend zur besten Sendezeit schenkt die ARD der Serie maximale Aufmerksamkeit. Zu Recht.
ARD | Politthrillerserie | 1. Staffel | D 2023
Mit Heino Ferch, Ingrid Bolsø Berdal, Rainer Bock, Jonathan Berlin
Sa., 9. Dezember 2023, 20.15 Uhr (1–4/6)
So., 10. Dezember 2023, 21.45 Uhr (5+6/6)