Patty Schnyder (44) hat elf WTA-Turniere gewonnen, war die Nr. 7 der Welt und stand 1998 mit Martina Hingis im Fed-Cup-Final. 2011 trat die Baselbieterin ein erstes Mal zurück, gab 2015, inzwischen Mutter geworden, aber ein Comeback und spielte sich 2018 nochmals ins Hauptfeld der US Open. Kurz darauf beendete sie ihre aktive Karriere.
Doch nicht nur Aufschläge und Volleys wurde in den Medien thematisiert, sondern auch ihr Liebesleben, die Hochzeit mit ihrem damaligen Trainer sowie das Zerwürfnis mit den Eltern. Das war mit ein Grund, weshalb sie sich nach Norddeutschland zurückzog und jahrelang kein Interview mehr gab. Heute lebt Schnyder mit ihrem Lebenspartner und den gemeinsamen Töchtern (4 und 8) etwas ausserhalb von Hannover.
Seit 2016 ist sie für SRF als Tennisexpertin am Mikrofon, so auch beim Majorturnier in Wimbledon.
Tele.ch: Was hat Sie bewogen, nach elf Jahren wieder ein Interview zu geben?
Patty Schnyder Meine Arbeit als SRF-Expertin macht mir enorm Spass, da finde ich es nur professionell, wieder mal ein privates Interview zu geben. Das gehört dazu.
Haben Sie sich auch etwas mit den Medien ausgesöhnt?
Ehrlich gesagt, hat es mich damals nie wirklich persönlich getroffen. Natürlich hat mich das eine oder andere geärgert. Nur hatte es den positiven Effekt, dass ich für mich beschloss, keine Interviews mehr zu geben. Somit konnten sich einige Journalisten und Verlage nur noch bedingt im Scheinwerferlicht eines erfolgreichen Menschen profilieren. Das hatten einige ja leider ziemlich respektlos getan. Aber im Grossen und Ganzen war es halt auch «part of the game», also Teil des Geschäfts.
Dann haben Sie auch etwas einen Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen?
Grundsätzlich bin ich ein optimistischer Mensch und habe ein dickes Fell. Doch ich habe persönlich viel erlebt, das nicht so schön war, und Entscheidungen getroffen, die ich bedaure. All dies zu verarbeiten, ging dann viel länger, als irgendeinen blöden Zeitungsartikel zu vergessen. Ich bin und war nie jemand, der die Öffentlichkeit sucht und Glücksgefühle empfindet, wenn ein Artikel über mich erscheint. Ich wollte einfach gegen die Besten meiner Zeit in den grossen Stadien geiles Tennis spielen, die Welt entdecken und Spass haben.
Wie jetzt bei Ihrer Arbeit als Expertin beim SRF?
Tennis wird immer meine grosse Leidenschaft sein, und als Expertin emotional mitzugehen, ist toll. Zudem liebe ich es, zu analysieren. Ich habe ja selber immer sehr taktisch und variantenreich gespielt. Als ehemaliger Profi fallen mir auch unscheinbare Details auf. Dies verständlich und unterhaltend rüberzubringen, ist eine Herausforderung, die mich erfüllt und bereichert. Und ich habe bei SRF ein tolles Team vorgefunden, das passt!
Stehen Sie eigentlich selber auch noch auf dem Platz?
Fast nie. Denn wenn ich mich auf dem Level auspowere, auf dem ich gerne Tennis spiele, habe ich am nächsten Tag Muskelkater ohne Ende. So macht es für mich keinen Sinn (lacht). Ich gehe darum lieber golfen oder mit der Familie bouldern. Aber zweimal die Woche trainiere ich 10- und 11-jährige Jugendliche. Wenn meine Kinder grösser sind, könnte ich mir auch gut vorstellen, noch intensiver ins Trainergeschäft einzusteigen.
Belinda Bencic ist klar die beste Schweizerin, hat aber erst einmal den Halbfinal eines Majors erreicht. Gelingt ihr der grosse Wurf noch?
Der grosse Wurf ist ihr 2021 mit Olympia-Gold in Tokio schon gelungen. Ich sehe sie aber auf jeden Fall auch als Grand-Slam-Siegerin. Sie hat den Willen, die Leidenschaft und alle Voraussetzungen, die es braucht. Sie kann jedes Tempo mitgehen, hat eine unglaubliche Präzision in ihren Schlägen und hat den Service nochmals stark verbessert. Ich kann nicht beurteilen, warum sie es gerade bei Majors oft nicht geschafft hat, die Bestleistungen abzurufen. Ich wünsche ihr sehr, dass sie einmal einen Lauf erwischt.
Jil Teichmann und Viktorija Golubic sind in der Rangliste zurückgefallen – was bringt die Schweiz für die Zukunft?
Ja, Simona Waltert. Sie hatte schon als Juniorin ein super Timing und ist erst 22. Wenn sie mehr Erfahrung hat, kann ich sie mir gut in den Top 100 vorstellen. Auch Ylena In-Albon ist eine komplette Spielerin, die taktisch vielfältig spielt und etwas meinen Spielertyp verkörpert.
Gibt es sonst noch jemanden?
Ja, die erst 17-jährige Céline Naef. Bei ihr fällt gleich die Handschrift von Melanie Molitor (die Mutter von Martina Hingis; Anm. der Red.) auf. Wie erfolgreich dieses technische Tennis sein kann, hat man ja bei Martina und Belinda gesehen.
Sie selber waren nie ein grosser Fan von Wimbledon, oder?
Ich war sehr schnell und habe gut verteidigt. Auf Rasen konnte ich mich aber nie wirklich frei bewegen. Der Belag neutralisierte meine Topspinschläge, ich habe mich dort nie wohlgefühlt. Dafür jetzt umso mehr am Mikro neben Stephan Liniger und Adrian Arnet (lacht).
Tennis | 1. Runde
Co-Kommentar: Patty Schnyder
Montag, 3. Juli 2023, 14:30 Uhr, SRF 2