Nicht einmal zwei Wochen ist es her, als bei «Gesichter und Geschichten» die Gesichter strahlten. Anlass: die jährlichen «G & G»-Awards in der Zürcher Radio Hall. Eine Art Klassentreffen der hiesigen Show- und Kulturszene. Mittendrin glänzten etliche Promis, die zum «G & G»-Inventar gehören: Denise Biellmann, Baschi, Peter Reber, Linda Fäh, Michael von der Heide, Monique oder auch Anita Burri. Man kennt sich, mag sich, duzt sich. Und reichlich sprudelt der gesponserte Champagner.
Doch nun herrscht Katerstimmung in der «G & G»-Community. Aus die Partymaus! SRF-Direktorin Nathalie Wappler zieht im Juli den Stecker. 20 Stellen fallen weg. Sparbetrag: zwei Millionen Franken pro Jahr. 20 Jahre nach dem Start ist «G & G» bald TV-Geschichte.
Dabei hatte alles so glitzernd-glamourös angefangen, am 29. März 2005, als uns eine hypernervöse Nadja Zimmermann (heute 48) erstmals zu vorabendlichen VIP-Häppchen begrüsste. Stars beim Debüt: der frisch gekürte Eiskunstlauf-Weltmeister Stéphane Lambiel und Fürst Rainier von Monaco, der eine Woche später starb.
Mit «Glanz & Gloria» besass nun auch die Schweiz ein tägliches Promi-Magazin. «G & G» war ein wichtiger Baustein in der Strategie der damaligen Chefin Ingrid Deltenre: SRF sollte bunter werden, grooviger, im Stile des deutschen Privatfernsehens. Es war ja auch schön viel los auf dem Boulevard der Eitelkeiten: Dramen à la Britney Spears, Eskapaden Marke Paris Hilton, Ehezoff zwischen Tom Cruise & Katie Holmes, Beginn der Romanze von Brad Pitt & Angelina Jolie. Goldene Zeiten für TV-Sender, es gab ja noch kein Instagram oder Tiktok.
Doch ganz so schrill, scharf und sexy wie RTLs «Exklusiv» durfte «G & G» nie daherkommen. People-News mit Relevanz bitte! Wohl deshalb gliederte SRF die junge Redaktion nicht in die Abteilung Unterhaltung, sondern in die Abteilung Information ein. «Glanz & Gloria» war konzeptionell ein zahmes Tierchen, das lieber wie ein Kätzchen schnurrte, denn wie eine Königskobra zuzuschnappen. Kurz: die Promis, deine Freunde und Helfer.
«Die Szene in der Schweiz ist viel zu klein, um jemanden hinterhältig in die Pfanne zu hauen», sagte Nicole Berchtold («G & G»-Moderatorin 2007–2022) vor Jahren. Genau, schliesslich musste von Montag bis Freitag eine Sendung gestemmt werden. Da durfte man es sich mit niemand verscherzen. Rücksicht nehmen, das galt auch gegenüber den VIPs, die dem «G & G»-Team in der SRF-Kantine über den Weg liefen: TV-Promis wie Beni Thurnheer oder Katja Stauber.
Die «G & G»-Redaktion stand im Zentrum der Schweizer Klatschwelt, bekam private Geschichten mit, durfte aber fast nie darüber berichten. «Die Leute geben so viel preis, wie sie wollen, und wir respektieren das», erklärte Nadja Zimmermann 2008. «Wir haben zum Glück keine Paparazzi-Unkultur wie in anderen Ländern.»
Quotenmässig lief es nach einem holprigen Startjahr immer prächtiger. Zu den besten Zeiten lag der Marktanteil bei 30 Prozent. Dabei half auch der Vorlauf von Quizshows wie «5 gegen 5», die den perfekten «Audience Flow» lieferten, um die Zuschauer/-innen vom Griff zur Fernbedienung abzuhalten.
Trotz starken Werten blieb die Wertschätzung gering. «Gugus & Gaga» lautete SRF-intern der Spottname. Das People-Magazin «mit den banalen News aus der Cüpli-Welt» rangierte am Ende der Relevanz-Skala, die bei der Bundeshausredaktion anfing und beim «G & G»-Partyreporter aufhörte. Nun, die Relevanzlosen arrangierten sich mit dem niedrigen Status. Was soll’s? Sie waren halt irgendwie anders: Parias, Underdogs, dafür cooler, spassiger, verschworener. Fascht e Familie eben. Das half, als die Nachricht von der Absetzung die Redaktion erreichte: Man tröstete sich gegenseitig.
Gerüchte über eine Einstellung der Sendung waren schon früh und immer wieder aufgekommen. Verhindert wurde das durch stabile Quoten und eine äusserst fleissige Redaktion, die People- und Kultur-Storys auch für «Tagesschau» und «10 vor 10» produzierte. Wer sonst ausser «G & G» konnte Beiträge über unsere Show- und Cervelat-Prominenz anbieten?
Als 2020/2021 ein von oben verordnetes Neukonzept umgesetzt wurde, fanden das einige gar nicht toll. Doch Hauptsache, weiterleben und halt akzeptieren, dass «Glanz & Gloria» nun neu «Gesichter & Geschichten» hiess. Gesellschafts- statt VIP-Magazin. Motto: weniger Partyrausch, weniger Promis, mehr Kleinkunstbühne. Folge: mehr Tiefgang – und tiefere Quoten.
Apropos Quoten: Diese pendelten in den letzten Jahren zwischen 15 und 23 Prozent. Das war zu wenig, um die wichtigsten Verbündeten im Existenzkampf als Argument vorzubringen: das Publikum. Doch spätestens, als das ZDF 2023 «Leute heute» in den Ruhestand schickte, hätten bei «G & G» intern die Alarmglocken läuten sollen. Doch «G & G» war in der Bubble ihres eigenen Kuschelkosmos gefangen. Überzeugt davon, dass die Beiträge für die Show- & Kulturszene genug Service public seien, um vom internen Sparhammer verschont zu bleiben.
Am Mittwoch, 5. Februar 2025, zerstörte TV-Direktorin Nathalie Wappler diese Hoffnung endgültig. SRF entledigt sich eines Formates, mit dem der Sender nie richtig warmgeworden war. Ruhe in Frieden, «G & G».
«G & G»-Crew: Michel Birri, Jennifer Bosshard, Tanya König, Joel Grolimund.
Marco Bilic