Amour fou auf zwei Gleisen

Für Nina könnte es kaum besser laufen: Sie ist erfolgreiche Layouterin in der Redaktion eines schicken Modemagazins und seit einem Jahr glücklich mit ihrem Traummann verheiratet. Ein gemeinsames Kind soll ihr Glück perfekt machen. Die Eröffnungssequenz von «Doppelleben» zeigt die zwei Turteltauben dann auch gleich bei einem der zahlreichen Versuche, dieses zu zeugen. Nina hat wahrlich den Jackpot gezogen: Marc (Bruno Todeschini) ist attraktiv, charmant und Mitinhaber einer Baufirma in Lausanne, deren Geschäft brummt.

Was Nina nicht weiss: Marc lebt seit 20 Jahren auch mit Laurence (Marina Golovine) im Konkubinat und hat mit ihr zwei Kinder. Damit seine Doppel-Liaison bei den beiden hintergangenen Bettgespielinnen nicht auffliegt, hat Marc ein ausgeklügeltes System mit fingierten Geschäftsreisen entwickelt. Während er jeweils mit der einen zusammen ist, wähnt ihn die andere im Ausland. Alles läuft bestens – bis Marc auf einer Baustelle einen Herzinfarkt erleidet und stirbt.

Die Behörden brauchen nicht lange, um Marcs doppelspuriges Leben zu entlarven, und konfrontieren die beiden  Betrogenen mit der Realität. Nach dem ersten Schock folgt bei den Witwen die Trauer, die rasch von Enttäuschung abgelöst wird, die sich wiederum nahtlos in rasende Wut verwandelt. Als die unverheiratete Partnerin unter den beiden und Mutter von Marcs Kindern fürchtet Laurence um ihr Erbe: die Hälfte von Marcs Firma und ihr luxuriöses Anwesen im Lavaux. Und schon geht der Eiertanz ums Erbe los.

Als dann noch Marcs desorganisierter Bruder Robin (Thibaut Evrard) aus Übersee auftaucht, geht das Tohuwabohu erst richtig los. Immer mehr Abgründe tun sich in den Kreisen der beiden Witwen auf.

«Doppelleben» entpuppt sich als wahre TV-Perle. Den Machern gelingt es mit raffinierten Dialogen, die ungeheuerliche Geschichte nachvollziehbar zu vermitteln, und schaffen Figuren, die so sympathisch sind, dass sich die Zuschauer in sie  hineinversetzen  können. Phasenweise sogar in den Hochstapler, der das ganze Chaos verursacht hat.

Die RTS-Serie kam 2019 in der Westschweiz so gut an, dass auch SRF sie ausgestrahlt hat. Nun hat sogar der ARD-Spartensender One das Schmuckstück entdeckt und sendet alle fünf Folgen am Stück. Anna Pieri Zuercher heimste für ihre Verkörperung der Nina verdient den Schweizer Fernsehfilmpreis ein und trat danach den Dienst beim Schweizer «Tatort» an.