Alles zum Start der 2. Staffel «Neumatt»

«Aaachtung, bitte!» Die Ansage ist klar, alle verstummen. «Kamera läuft!» Wir befinden uns in einer halb offenen Scheune, die vollgestellt ist mit Kamera-Equipment, Traktoren, Bildschirmen, Heuballen und Klappstühlen. Knapp zwei Dutzend Crewmitglieder sind hoch konzentriert. Das Einzige, was man noch hört, sind Julian Koechlin alias Michi Wyss und Sophie Hutter als Sarah Wyss, die sich vor der Scheune angifteln. Und ein paar Fliegen, die nervös ihre Runden drehen.

Es ist Anfang April 2022: Hier, auf einem idyllischen Bauernhof nahe Uster im Zürcher Oberland, entsteht gerade die zweite Staffel der Schweizer Erfolgsserie «Neumatt» (SRF 1).

Die Geschichte über die Bauernfamilie Wyss, die sich nach dem Freitod des Vaters zusammenraufen muss, um den verschuldeten Hof zu retten, hat im Herbst 2021 das Publikum im Sturm erobert.

Besonders spannend ist dabei der Spagat, den Michi (Julian Koechlin) machen muss. Als Unternehmensberater lebt er in Zürich auf der Überholspur: Da zieht man sich hier eine Linie Koks und da beim One-Night-Stand einen attraktiven Lover rein. Doch auch das Landwirten hat Michi im Blut. Am Ende der ersten Staffel entschloss er sich dazu, dem Leben in der Stadt den Rücken zu kehren, um die Neumatt auf Vordermann zu bringen.

Nun findet die Geschichte also ihre Fortsetzung. Acht Monate sind seit dem Ende der ersten Staffel vergangen. Man sieht es: Michi trägt Bart und Sarahs Locken wuchern wild in alle Richtungen.

Die Probleme und Konflikte werden in der 2. Staffel nicht weniger: Michi lebt zwar wieder glücklich mit seiner Jugendliebe Döme (Nicola Perot) zusammen, doch für den Hof fehlt die staatlich bewilligte Betriebszulassung. Der Neumatt droht die Zwangsschliessung.

Da Michis jüngerer Bruder Lorenz (Jérôme Humm) die Prüfung zum Landwirt versemmelt hat, ist nun Schwester Sarah die Einzige, die über die nötige Zulassung verfügt. Doch die alleinerziehende Mutter will ihr eigenes Ding durchziehen. Ginge es nach ihr, wäre die Neumatt längst verkauft worden. Dann hätte sie ihren Traum vom eigenen Fitnessstudio nicht begraben müssen.

Weg vom Fenster ist Mutter Katharina (Rachel Braunschweig): Sie will sich ein unabhängiges Leben in der Stadt aufbauen und träumt davon, als professionelle Chorleiterin den Dirigierstab zu schwingen.

In einer Drehpause nimmt sich Andrea Štaka, die in den ersten vier Folgen Regie führt, Zeit für ein Gespräch. Es sei die Familiengeschichte gewesen, die sie an «Neumatt» besonders reizte. Darum hat sie sich nach viel beachteten Spielfilmen wie «Mare» und «Das Fräulein» nun erstmals eine Serie vorgenommen.

«Es geht hier um eine ganz normale, moderne Familie. Und in jeder Familie gibt es schöne und auch traurige Erlebnisse, Geheimnisse, Liebe, Wut.» In der zweiten Staffel müssten sich die Kinder der Familie Wyss neu finden bzw. erfinden. Štaka: «Normalerweise fliegen die Kinder aus, um sich zu entfalten. Hier werden sie auf dem Hof vereint und müssen sich neu definieren, weil die Situation sie dazu zwingt: Vater Kurt ist tot, Mutter Katharina verwirklicht sich in der Stadt.»

Die bekannten Figuren machen in der Fortsetzung grosse Entwicklungen durch. Allen voran Lorenz, dessen Freundin Jessie (Rumo Wehrli) ein Kind von ihm erwartet. Ausserdem drängt die werdende Mutter darauf, aus der Neumatt einen Biobauernhof zu machen. Doch der windige Michi hat andere Pläne, um den Hof auf finanziell robuste Beine zu stellen.

Neben den bekannten Gesichtern kommen auch ein paar neue dazu. Eines gehört Dimitri Stapfer («Frieden», «Wilder»), der als Urs Sutter eher missmutig in der Geschichte auftaucht. Schliesslich basiert seine Verbindung zur Familie Wyss auf einer sehr unschönen Begebenheit.

Für Kenner des Zürcher «Tatort» kommt es zu einem amüsanten Treffen: Anna Pieri Zuercher, bekannt als Ermittlerin Isabelle Grandjean, spielt neu Michis Chefin Regula Kieser – eine taffe Frau, die zwischen zwei Meetings ihr Baby stillt und ihr Team eiskalt lächelnd zu Höchstleistungen anstachelt.

Die zweite Staffel «Neumatt», die SRF als Eventserie innerhalb von nur einer Woche zeigt, macht Lust auf mehr. Das sieht auch Hauptdarsteller Julian Koechlin so (siehe Interview mit dem 30-jährigen Basler).

Nicht nur die Fans, Schauspieler und Produktions-Crew würden sich über eine weitere Staffel freuen, sondern sicher auch die Verantwortlichen bei Netflix. Schliesslich haben sie «Neumatt» im vergangenen Frühling ins weltweite Portfolio aufgenommen. Ein Ritterschlag für das packende Schweizer Familiendrama.