Es war ein gefundenes Fressen für die britische und internationale Boulevardpresse. Was 1963 aus einem Gerichtssaal in Edinburgh sickerte, war höchst delikat: Die Scheidung des Schotten Ian Campbell, Herzog von Argyll, und seiner Gattin, Herzogin Margaret, förderte viele pikante Details zu Tage.
Es ging um kompromittierende Polaroidfotos, die Schamhaardichte des Herzogs und den offenbar unstillbaren Sexhunger der Herzogin. Oh my God –was war passiert?
Der Anfang war romantisch: 1947 sitzt die steinreiche Erbin Margaret Sweeny im selben Zug wie Ian Campbell. Beide sind zum zweiten Mal verheiratet und offensichtlich von ihren Ehepartnern gelangweilt.
Er findet ihr leichtes Stottern «köstlich», sie will nur mit ihm nach Schottland kommen, wenn er verspricht, «kein Gentleman zu sein». Ihm sagt das üppige Vermögen von Margarets Vater zu, sie verliebt sich in das marode Schloss Inveraray, das Ians altem Cousin gehört, dem damaligen Herzog von Argyll.
Die beiden lassen sich von ihren Ehepartnern scheiden und heiraten. Unter einer Bedingung: «Wir versprechen einander, dass wir uns niemals gegenseitig langweilen werden.» Das sagte Margaret, und so sollte es auch kommen.
Margarets Geld fliesst fortan in die Restaurierung von Schloss Inveraray, und als der alte Cousin stirbt, erbt Ian den Herzogtitel sowie einen Sitz im House of Lords des britischen Parlaments. Hier hätte die Geschichte eigentlich zu einem Happyend kommen können. Bekanntlich tat sie das nicht, sonst hätte es daraus keine Miniserie gegeben, die am Pfingstmontag am Stück auf ZDF läuft.
«A Very British Scandal» erzählt in drei Folgen die Geschichte der Campbells nach. Ian wird von Paul Bettany verkörpert, und Claire Foy, die viele noch als Queen der ersten zwei «The Crown»-Staffeln kennen, spielt Margaret.
Nach wenigen Jahren haben sich die Eheleute auseinandergelebt. Ian zeigt cholerische Züge. Er trinkt zu viel, isoliert sich, schluckt Amphetamine: Die Kriegsgefangenschaft in Nazi-Deutschland hat sich in seine Seele eingebrannt.
Margaret vergnügt sich derweil in London, schliesslich war sie noch nie ein Kind von Traurigkeit. Eine Freundin sagt der Herzogin grosse Ähnlichkeit mit Bonobo-Primaten nach. Nicht mit deren Aussehen, sondern mit deren exzessivem Sexualtrieb.
Als Margarets Vater keine Lust mehr hat, den Schwiegersohn zu finanzieren, die Geldquelle also versiegt, beginnt Ian vermehrt, seine Frau blosszustellen und zu schikanieren. Er droht, dass sie im Falle seines Todes Schloss Inveraray verlassen müsse, da dort sein Sohn aus früherer Ehe residieren werde. Gemeinsam mit Ians Ex-Frauen. Mit einer List versucht Margaret, Ians Ex-Frau Louise anzuschwärzen, schneidet sich damit aber ins eigene Fleisch.
In einem letzten Versuch, die Ehe zu retten, hilft Margaret Ian bei einem kalten Entzug. Doch er schnüffelt in ihren Tagebüchern und findet Polaroidfotos: Darauf ist ein nackter Mann zu sehen, der von der knienden, ebenfalls nackten Margaret – man erkennt sie an der dreireihigen Perlenkette – verwöhnt wird.
Natürlich verleihen diese Fotos der Scheidungsverhandlung besondere Würze. Zwar muss der Herzog unter notarieller Aufsicht seine Schamhaare untersuchen lassen, um zu beweisen, dass er nicht der Mann auf den Fotos ist.
Doch die Schuldige ist Margaret: «Dass ich mich hinkniete und es genoss, das ist die Anklage», sagt sie einer Freundin. «Also muss es mir leidtun. Das Gesetz mag keine Frauen, denen es nicht leidtut.»
Nach elf Tagen ist die Verhandlung vorbei. Die Urteilsverkündung gegen Margaret dauert drei Stunden und zehn Minuten. Das Verdikt: Sie sei eine zutiefst promiskuitive Frau, deren Appetit auf Sex nur mit mehreren Männern zu stillen sei. Ian trank zwar – in den Augen des Richters aber «die übliche Menge».
Margaret Campbell war damit die erste Frau, die von den britischen Massenmedien öffentlich blossgestellt wurde. Ian heiratete fünf Wochen nach der Scheidung erneut – eine um 22 Jahre jüngere US-Erbin.
Miniserie 1–3/3
Mit Claire Foy, Paul Bettany
GB 2021, Montag, 29. Mai 2023, 22.00 Uhr, ZDF