Die dritte Staffel der Anthologieserie «The Girlfriend Experience (Review hier)» ist fest in deutscher Hand. Als Regisseurin aller Episoden amtet die Berlinerin Anja Marquardt, und Oliver Masucci («Dark», «Tribes of Europa») mimt in der Welt der käuflichen Liebe, wo Frauen gegen hohe Geldbeträge emotionale und sexuelle Beziehungen anbieten, den wohlhabenden Kunden Georges Verhoeven.
Diese Staffel ist weitaus ästhetischer und künstlerischer ausgefallen als die vorhergehenden.
Streaming: Was auch auffällt, die Sexszenen sind rarer und weniger explizit.
Oliver Masucci: Das stimmt. Das ist mir auch aufgefallen. Die haben aber sehr viele Sexszenen rausgeschnitten. Weil gedreht haben wir sie. Und zwar sehr explizit. (Lacht.)
Wie halten Sie’s mit Sexszenen? Wo ziehen Sie die Grenze?
Ich schmeisse mich da schamlos rein. Ich wurde 30 Jahre lang am Theater sozialisiert. Da heisst es: All in! Schliesslich geschieht das alles im geschützten Rahmen der Kunst.
Wie dreht man in Zeiten von #MeToo solche Szenen?
Sexszenen werden akribisch vorbereitet. Es ist immer ein Intimacy-Coach anwesend, mit dem man genau bespricht, wer was macht, wo man hinfasst und wo nicht. Alle nicht erforderlichen Leute verlassen den Raum, es wird aufgepasst, dass niemand Videos dreht, und die intimen Stellen werden abgeklebt. Ich sage Ihnen, Sexszenen drehen ist weitaus weniger spektakulär und sexy, als sie sich anzuschauen.
Die dritte Staffel ist auch sehr ruhig und hat viele Längen und Pausen. Ziemlich mutig.
Ja, sie bricht mit Sehgewohnheiten. Mir gefällt das sehr. Die gesamte Staffel verführt zu philosophischen Gedankenexperimenten, ohne jedoch die Sexyness zu verlieren. Die Tiefe offenbart sich dabei erst im Verlauf der Staffel. Und sie ist so künstlerisch gemacht, dass man sie zuweilen für nicht real hält. Sie zieht einen dafür umso mehr rein, wenn man mal von ihr gepackt wird.
Wie kamen Sie zur Rolle?
Die Regisseurin Anja Marquardt rief mich an und erzählte mir von dieser Welt, wo es hinter der vermeintlichen Oberflächlichkeit um entscheidende Fragen geht – ob wir überhaupt selbstbestimmt sind und einen freien Willen haben. Mich wollte sie als väterlichen Freund, der ein Escort-Girl engagiert und dann etwas für sie zu empfinden beginnt, was eine Liebesgeschichte zwischen den beiden entbrennen lässt. Das fand ich so geil, dass ich sofort zugesagt habe.
Und welche Rolle spielte die Tatsache, dass Steven Soderbergh am Drücker war?
Na, hören Sie mal! «Sex, Lies, and Videotape» – mit diesem schlüpfrigen wie spannenden Film brach er Tabus. Oder «Erin Brockovich»! Also wenn Soderbergh mich anfragt, dann ist meine Antwort: Ja, klar!
Es soll auch Ihr Traum sein, mit Quentin Tarantino zu drehen. Christoph Waltz wurde ja von ihm für «Inglourious Basterds» entdeckt, als er, wie sie jetzt, 52 Jahre alt war.
Ein absoluter Traum! Wie Sie richtig erkennen, bin ich jetzt genau im richtigen Alter dafür. Also immer her damit. Quentin Tarantino, bitte anrufen!
Eine andere Frage: Ihre Hand ist geschient. Was ist passiert?
Ich habe mir bei einem Unfall im Bike Kingdom in der Lenzerheide das Handgelenk gebrochen. Meine Kinder sind ja Schweizer. Das passiert, wenn über 50-Jährige es ihren Kindern im Bike-Park nochmals zeigen wollen. Das Ganze ist aber gut verheilt. Dummerweise bin ich auf dem Weg zu den Dreharbeiten von «Day Shift» (mit Jamie Foxx, Anm. d. Red.) über meine Koffer gestolpert, die Treppe runtergefallen und hab mir die Hand nochmals gebrochen.