Streaming: Wieso geht Ihre einsiedlerische Filmfigur Anna nicht mehr vor die Tür?
Amy Adams: Sie leidet an Agoraphobie und bekommt selbst in kleinen Menschenmengen Panikattacken. Dafür gibt es natürlich einen Grund, der im Laufe des Films nach und nach deutlich wird.
Anna bevorzugt es, andere Leute durch ihr Fenster zu beobachten, und wird so Zeugin eines Gewaltverbrechens im Nachbarhaus.
Das Problem ist, dass sie nicht sicher ist, ob das Verbrechen wirklich passiert ist oder ob sie es sich nur eingebildet hat. Es ist alles herrlich komplex, was ich an der Rolle auch total spannend fand!
Konnten Sie sich mit Ihrer von Ängsten zerfressenen Filmfigur identifizieren?
Klar. Wenn mir Dinge entgleiten und ich keine Kontrolle mehr habe, kann ich auch etwas panisch reagieren. Es ist ein Gefühl der Hilflosigkeit. Und gerade in der aktuellen Situation kennen das viele.
Können Sie sich nach Drehschluss problemlos wieder von Ihrer Rolle trennen?
Früher fiel es mir bei psychisch harten Rollen echt schwer, sie abends am Set zurückzulassen. Aber als Mutter muss man das lernen. Je älter meine Tochter wurde, desto wichtiger war es für mich, den Hebel umlegen zu können. Die Mutterrolle hat bei mir absolute Priorität, und ich würde für mein Kind alles aufgeben. Obwohl ich meinen Job sehr liebe!
Echt? Von heute auf morgen?
Ohne mit der Wimper zu zucken. Und meine Tochter weiss das auch.
Ihre Tochter Aviana ist 10. Wie kommt sie mit den Corona-Einschränkungen zurecht?
Ich bin so stolz auf sie, wie gut sie mit der Situation umgeht und vor allem den Onlineunterricht meistert. Sie stellt sich den Wecker selber für den Morgen und hat eine unglaubliche Selbstdisziplin und Autonomie beim Lernen entwickelt.
Also gar keine negativen Nebeneffekte?
Sie verbringt viel mehr Zeit an ihrem Computer, als mir lieb ist. Vor der Pandemie hatte sie gar keinen. Jetzt spielt sie ständig mit ihren Freunden online ein Spiel namens «Roblox», wo sie Häuser baut. Immerhin scheint sie Interesse an Architektur entwickelt zu haben (lacht).
Was hält sie von Mamas Job als Filmstar?
Sie ist nicht wirklich daran interessiert. Wenn überhaupt, ist sie in einem Alter, in dem sie Sachen peinlich findet. Insbesondere, wenn sie ihre Mutter in einer Kussszene sieht. Sie sollten mal den Blick sehen, den sie mir dann zuwirft (lacht).
Wenn man mit Karriere und Familie eingespannt ist, wie viel Zeit bleibt da noch für sich selbst?
Die finde ich. Am liebsten ziehe ich mich zurück und lese. Besonders gerne Selbsthilfebücher. Ich habe gerade «Die Gaben der Unvollkommenheit» von Brené Brown durch. Ein tolles Buch!
Haben Sie einen Selbsthilfetipp, wie man glücklich wird?
Das muss jeder für sich selbst erkunden. Für mich ist es wichtig, das Leben mit Humor zu nehmen. Wenn man Dinge nicht so ernst nimmt, kann man auch schwierige Situationen einfacher meistern.