Hängt das Marvel Cinematic Universe MCU fest? Die Ereignisse von «Avengers: Infinity War» und «Avengers: Endgame» haben die Welt der Superhelden so radikal durchgeschüttelt, dass die Auswirkungen verständlicherweise noch lange nachhallen werden.
Die aktuelle Disney-Serie «WandaVision» zieht ihre Handlungsenergie aus dem sogenannten Blip, als Thanos die Hälfte allen Lebens im Universum wegschnipste und zu diesem Zweck auch Vision getötet hat. Dessen Geliebte Wanda liess ihn in der Serie wiederauferstehen.
Auch «The Falcon & the Winter Soldier» klammert sich an die Vergangenheit. Denn die Krux ist: Captain America hat in «Endgame» das Superheldendasein an den Nagel gehängt und seinen legendären Schild an Kumpel Sam Wilson alias Falcon (Anthony Mackie) vererbt. So präsentiert auch diese Serie ein «Was passiert nach ‹Endgame›»-Szenario.
Das soll nicht abwertend klingen: «WandaVision» hat vorgemacht, dass in diesem Umfeld durchaus interessante neue Geschichten möglich sind. Und dass Zurückschauen auch verbunden ist mit dem Aufgleisen von neuen Möglichkeiten im MCU – so etwa das Einführen der X-Men oder das Zusammenstellen der «Young Avengers», ein angepeiltes Projekt in der Zukunft.
Auch «The Falcon and the Winter Soldier» schaut zurück und nach vorne. Und das tut er im Stil eines klassischen Buddy-Movies. Wie Co-Star Sebastian Stan, der Winter Soldier spielt, im Interview erklärt: «Die Beziehung der Hauptfiguren ist inspiriert von Klassikern wie ‹Lethal Weapon› oder ‹Nur 48 Stunden›.»
Sein Schauspielpartner Anthony Mackie ergänzt, nicht überraschend: «Wir machen da weiter, wo ‹Endgame› aufgehört hat.» Sprich: Sam trägt nun den Schild.
Doch Bucky alias Winter Soldier hat mehr Erfahrung damit, also hilft er ihm, mit dem Schild umzugehen. Gegenseitiges Ankeifen inklusive. Denn in den Comics nahm einst auch Bucky die Persona von Captain America an. Ähnlich wie bei Spider-Man schlüpften verschiedene Figuren in diesen Mantel, und ein bisschen spielt auch «The Falcon and the Winter Soldier» mit dieser Idee.
Kommt dazu: Darf Sam überhaupt Captain America sein? Das US-Militär um Thaddeus «Thunderbolt» Ross (William Hurt) hat ganz andere Pläne. Es präsentiert als Nachfolger kurzerhand einen neuen genetisch aufgepeppten Supersoldaten namens U.S. Agent (Wyatt Russell).
Damit nicht genug: Auch Bösewicht Baron Zemo (Daniel Brühl) aus «Captain America: Civil War» ist zurück und setzt seine Mission fort, alle Superhelden auszurotten. Da steht ein neuer Captain America natürlich weit oben auf der Liste, denn sein Schild ist längst ein Symbol für das Superheldentum.
Symbolisch ist der Schild auch in den Augen von Sebastian Stan. Er erklärt: «Wir definieren neu, wofür der Schild steht, wofür Rot-Weiss-Blau steht, die Farben Amerikas.»
Das Tragen dieses ikonischen Schildes ist insbesondere für seinen afroamerikanischen Co-Star Anthony Mackie daher eine grosse Sache. Und Mackie geht weiter, indem er gleich auch noch den Blip politisch einordnet: «Die Menschen, die nach der Auslöschung von 50 Prozent allen Lebens durch Thanos nun wieder zurückkehren, haben nicht nur fünf Jahre verloren – sondern auch ihr Hab und Gut. Wie geht eine Gesellschaft damit um, diese Güter wieder gerecht zu verteilen?»
Spielt dieser Aspekt in der Serie eine grosse Rolle? Wohl kaum, denn auch Mackie meint, man habe keinen neuen Stil gesucht, sondern hake bewusst bei jenem der beiden Captain-America-Filme «Civil War» und «Winter Soldier» ein.
Das heisst: etwas Politik am Rande, aber vor allem Superheldenaction und etwas Buddy-Comedy. Die kanadische Regisseurin Kari Skogland, die alle 6 Episoden inszeniert und zuvor Erfahrungen bei etlichen bekannten Serien geholt hat, sorgt für die richtige Balance.
Und dann geht’s vorwärts? Jein. Die nächste MCU-Serie «Loki», die im Mai startet, schickt den Antihelden auf Zeitreise. Und knüpft direkt an «Avengers: Endgame» an.
Disney+ | Actionserie | 1. Staffel | USA 2021
Mit Anthony Mackie, Sebastian Stan; Regie: Kari Skogland
Buddy-Action im MCU
ab 19. März
Sauber inszeniert, gut gespielt, gewohnt gut in den Marvel-Kontext eingebaut. Aber der Serie fehlt das gewisse Etwas.
Wenn in Episode 4 der «falsche» Captain America den legendären Schild entweiht, dann ist das fraglos eine gute Szene. Aber vieles andere wird aufgegleist und verpufft – etwa der Trip nach Madripoor.
Mehr noch als bei manch anderer Marvel-Produktion hat man hier das Gefühl, man schaue lediglich Füllerepisoden: nette Unterhaltung, aber rasch wieder vergessen, sobald man das nächste Ziel im Auge hat.
In Serienform ist dieses Marvel-Konzept wohl einfach noch durchschaubarer.
Gute Routine statt Höhenflug