Die Skepsis war gross, als Sky vor fünf Jahren die eigenproduzierte Krimiserie «Der Pass» ankündigte. Wie konnte man sich bloss an eine deutsch-österreichische Adaption der schwedisch-dänischen Überserie «Die Brücke» wagen?
Doch die Bedenken wurden schon in der Auftaktfolge zerschlagen: Mit einem unkonventionellen Erzählkonzept und einem exquisit besetzten Ermittlerduo schreibt «Der Pass» seine eigene wendungsreiche Geschichte im Grenzgebiet von Deutschland und Österreich.
Nur schon der Werdegang der beiden Kommissare ist filmreif: Die quirlige und gutherzige Ellie Stocker (Julia Jentsch) aus München stürzt sich anfangs voller Elan in die Ermittlungen. Ganz anders ihr Salzburger Kollege Gedeon Winter (Nicholas Ofczarek). Der kettenrauchende, daueralkoholisierte Zyniker ist der wohl verlottertste Kommissar, den die Serienwelt je erblickt hat.
In Staffel 2 dann ein ganz neues Bild: Ellie zermürbt von den traumatischen Ereignissen in Staffel 1. Und der totgeglaubte Gedeon? Er steht wieder auf der Matte, wenn auch etwas wackelig. Er hat drei Kopfschüsse überlebt und kämpft sich nun zurück in den Polizeidienst.
Die Ausgangslage in der dritten Staffel, die am 4. Mai startet, krempelt nochmals alles um. Die beiden Kommissare sind zu erbitterten Kontrahenten geworden. Ellie setzt alles daran, Gedeon der Korruption zu überführen, um die Wahrheit über den Mord an ihrer Kollegin aus der 2. Staffel aufzudecken. Gedeon entgehen die energischen Ermittlungen seiner Kollegin natürlich nicht.
Doch er hat seinen ganz eigenen und für das Publikum sehr aufschlussreichen Fall am Laufen: Er sucht den perversen Peiniger aus seiner Kindheit. Hier scheint auch die Ursache für sein kaputtes Wesen zu liegen.
Allen Widerständen zum Trotz müssen Stocker und Winter beruflich noch ein letztes Mal zusammenspannen. Das düstere Serienmörder-Tableau wird mit einem weiteren Archetyp ergänzt, der dies- und jenseits der Grenze den Gesetzeshütern zu schaffen macht.
Während im Fall des Krampus-Killers (Staffel 1) und Alexander Gössens (Staffel 2) rasch ein Tatmuster erkennbar wurde, bleibt die neue Mordserie für die Ermittler vorerst nebulös. Wahllos und ohne erkennbares Motiv, aber ganz offensichtlich akribisch geplant, meuchelt sich ein Unbekannter durch die alpine Landschaft.
Mit diesen von der Kamera eingefangenen Bildern liesse sich eine eigene Kunstausstellung ausfüllen. Erstaunlich auch, wie diese Staffel nochmals sämtliche Register zieht und stets unvorhersehbar bleibt.
Das Geschehen nimmt nun aber nicht wie bisher im Winter, sondern im Herbst seinen düsteren, atmosphärisch oft erdrückenden Lauf. Massgeblich verantwortlich dafür ist Gedeons anstössiges Gebaren. Wiederholt überschreitet er die polizeilichen Befugnisse – umso mehr, als sich sein Suchtverhalten in Richtung Opiate und seine Arroganz ins Uferlose verschoben hat.
Was Ellie und Gedeon vereint, ist die Suche nach Gerechtigkeit, die sie vor eine finale Entscheidung zwischen Vergeltung und Vergebung stellt. Danach ist die Trilogie vollendet und dürfte als Meilenstein in die deutschsprachige Seriengeschichte eingehen.
Sky Show | Krimiserie | 3. Staffel
Mit Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch, August Diehl
A/D 2023, ab 4. Mai 2023