Netflix – «Asbest»

Knastkicker

Die deutsche Dramaserie «Asbest» erzählt von einem jungen Fussballer, der unschuldig im Gefängnis sitzt. Schafft er es, dort nicht kriminell zu werden?

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Asbest

Momo (Koder Xidir Alian) sitzt unschuldig. Wird er im Knast zum Verbrecher? 

ARD Degeto/Pantaleon Films GmbH/
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Simone Reich

Für Momo läuft es gerade wie geschmiert. Der 19-Jährige ist ein begnadeter Fussballer, und der Bundesligaverein Hertha BSC aus Berlin will ihn für das U 23-Team verpflichten. Doch statt einen Profivertrag zu unterschreiben, wird Momo in Handschellen abgeführt. Er soll der Drahtzieher bei einem bewaffneten Raubüberfall gewesen sein.

Schnell wird klar: Momo ist unschuldig. Hinter dem Überfall steckte sein Onkel Amar, der mit Wettgeschäften, Drogendeals und allerlei anderen kriminellen Machenschaften sein Revier als Clanchef markiert. Momo aber verpfeift nicht etwa seinen Onkel, sondern schweigt. Aus Angst, denn dessen Einfluss ist einfach zu gross und reicht bis in den Knast. Momo wird zu neun Jahren verurteilt – und ginge es nach Onkel Amar, so müsste der Neohäftling im Knast fleissig Stoff verticken. Schafft es Momo, sich vom Einfluss seines Onkels zu lösen? Hilft ihm das gefängniseigene Fussballteam, auf der richtigen Seite des Gesetzes zu bleiben?

Die fünfteilige Serie «Asbest» ist in jeder Beziehung besonders. Angefangen bei der Tatsache, dass sie auf wahren Begebenheiten beruht. Co-Produzentin Katja Eichinger las 2016 zufällig einen Artikel über eine Fussballmannschaft in einem Hamburger Gefängnis. Der Gründer des Teams, der frühere Sozialarbeiter Gerd Mewes, hatte seine Memoiren unter dem Titel «Fair Play mit Mördern» veröffentlicht.

Eichinger lernte darauf den echten Momo kennen, einen ehemaligen Fussballprofi, der sieben Jahre wegen bewaffneten Raubüberfalls und Geiselnahme gesessen hatte. Doch niemand wollte den Stoff für die Serie «Asbest» finanzieren. Eine Knastserie in Deutschland? Kein Interesse. Das Projekt schien am Ende, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Doch dann wandte sich Eichinger an Kida Khodr Ramadan.

Der bärtige Charakterkopf prägte die Hitserie «4 Blocks» (2017–2019) als libanesischer Clanführer Toni Hamady und hatte vor kurzem ins Regiefach gewechselt. Ramadan war begeistert vom Stoff, setzte alle Hebel in Bewegung und trommelte ein unfassbares Star-Ensemble zusammen: Stipe Erceg als Onkel Amar, Jasmin Tabatabai als Momos Mutter, Anatole Taubman als fiesen Gefängniswärter, Frederick Lau als psychisch kranken Mithäftling, Detlev Buck als Bombenbauer aus den 80ern, Wotan Wilke Möhring als schmierigen Nachtclubbesitzer. Die Liste liesse sich problemlos fortsetzen. Beim Hauptdarsteller setzte Regisseur Ramadan aber auf den Newcomer Koder Alian, der sich in Deutschland als Rapper Xidir einen Namen gemacht hatte.

Vieles in «Asbest» erinnert an die Gangsterserie «4 Blocks» (neu auf Netflix): die Rohheit im Umgang, die Sprache ebenso wie der Cast (neben Frederick Lau spielt auch Veysel Gelin wieder eine fiese Gangsterrolle). Regisseur Kida Khodr Ramadan liess es sich nicht nehmen, selbst mitzuspielen – als einäugiger Knastbruder, den alle nur «Der Kurde» nennen.

Die Story von «Asbest» ist vielschichtig und brutal. Auf explizite Gewalt wird zwar weitestgehend verzichtet, dennoch wirken die Gefängnisszenen ungeschönt. Das war Kida Khodr Ramadan ein grosses Anliegen: «Wir zeigen zum ersten Mal die Realität im Gefängnis. Am wichtigsten war mir die Authentizität. Das Ganze sollte durch den Kino-Cast und die Kamera einen internationalen Touch bekommen.»

Das ist ihm offenbar gelungen, denn nach der Ausstrahlung auf dem TV-Sender One 2023 schafft «Asbest» nun den Sprung auf Netflix. Eine 2. Staffel wurde schon vor längerem in Auftrag gegeben.

Asbest ★★★★☆

Netflix | Dramaserie | 1. Staffel 

Mit Kida Khodr Ramadan, Jasmin Tabatabai, Xidir aka Alian Koder

D 2023, ab 21. Januar 2024

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Von Simone Reich am 15. Januar 2024 - 14:00 Uhr