Sie machte den Anfang: 2013 schaltete Netflix mit der Politserie «House of Cards» die allererste Eigenproduktion überhaupt auf. Im Zentrum: Hollywoodstar Kevin Spacey, der den machthungrigen US-Kongressabgeordneten Frank Underwood mimt. Da ihm der Posten als Aussenminister verwehrt wird, bläst er zum grossen politischen Rachefeldzug.
Frank Underwood, dessen Initialen F. U. in etwa seinen Sympathiewert widerspiegeln, schafft es schliesslich, mit Ränkespielen, Erpressung, Betrug und ja, sogar mit Mord, bis zum höchsten Amt aufzusteigen: Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Immer an seiner Seite – mal mehr, mal weniger freiwillig – seine Gattin, die hochgradig unterkühlte Claire Underwood (stark: Robin Wright).
«House of Cards» war der Rolls- Royce unter den Serien. Denn Netflix scheute keine Kosten (Spacey verdiente bis zu 500 000 Dollar pro Folge), und auch die Kritiker frohlockten. Als erste Streamingserie überhaupt garnierte sie auch zahlreiche Preise (u. a. zwei Golden Globes und sieben Emmys).
Verblüffend ist, dass man als Zuschauer null Sympathie für die Hauptfigur empfindet, denn Underwood ist zu machtgeil, zu skrupellos, zu narzisstisch. Und mit dem Durchbrechen der vierten Wand – wenn er uns direkt anspricht und damit ungefragt zu Komplizen macht – wird diese Aversion noch gesteigert.
Den Machern wurde oft vorgeworfen, dass das Gebaren von F. U. zu unrealistisch sei, dass solche finsteren Machenschaften im echten Politalltag in Washington D. C. niemals möglich wären. Nun, 2016 wurden sie eines Besseren belehrt. Donald Trump war wohl ein erster Sargnagel für «House of Cards». Denn was bringt schon eine überspitzte Story um einen korrupten Narzissten, wenn sie von der Realität getoppt wird?
Den vorläufigen Todesstoss erlitt der Netflix-Hit dann aber durch seinen Hauptdarsteller selber: Im Oktober 2017 warf der Schauspieler Anthony Rapp Spacey vor, ihn 1986 im Verlauf einer Party sexuell belästigt zu haben. Rapp war damals 14 Jahre alt. Spacey reagierte mit einer Vorwärtsstrategie, entschuldigte sich für das «unangemessene, betrunkene Verhalten» und fügte etwas Ungewöhnliches hinzu: Er outete sich als Homosexueller. Doch der Mist war geführt. Acht weitere Männer bezichtigten Spacey der sexuellen Belästigung. Netflix reagierte prompt und liess F. U. den Serientod sterben.
Ein abruptes Ende gab es allerdings nicht, denn glücklicherweise hatte sich First Lady Claire Underwood im Verlauf der ersten fünf Staffeln als nicht minder machthungrig und gefühllos entpuppt. Ergo übernahm sie in der sechsten und letzten Staffel das Ruder. Auch sie durfte im Oval Office die erste Geige spielen, wie das endet, sei hier nicht verraten.
Der schale Nachgeschmack, den «House of Cards» bei manchen hinterlässt, soll keinesfalls über die Qualität und das Potenzial der Serie hinwegtäuschen: Noch nie wurden politische Abläufe wie ein Wahlkampf oder eine Abstimmung im Kongress anschaulicher und spannender abgebildet als in «House of Cards».
Und auch der Cast hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Hier seien Kate Mara als Jungreporterin Zoe Barnes, aber auch Mahershala Ali als Stabschef Remy Danton erwähnt. Die vielschichtigste und spannendste Figur ist aber zweifellos Underwoods rechte Hand, der introvertierte Doug Stamper, der von Michael Kelly meisterhaft dargestellt wurde.
Netflix | Politserie | 6 Staffeln | USA 2013–2018
David Fincher produzierte die Serie und führte bei den ersten beiden Folgen auch Regie.
Emotional aufgeladener und doch cooler Politthriller
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