Wie wird es wohl, dieses Spinoff der Überserie «Game of Thrones»? Vermag «House of the Dragon» die grossen Erwartungen zu erfüllen? Stellt es einem bei der Titelmelodie auch die Härchen an den Unterarmen auf? Wird’s wieder so episch, so brutal – und so versext?
Ja, ja, ja und ja. Auf King’s Landing wird wieder um Macht gerungen, Vermählungen werden ausgehandelt, Geheimnisse verraten und Körperteile aller Art per Schwerthieb abgetrennt. Derweil vibrieren die Bordelle unter dem sündigen Treiben der Freier und Huren. Es geht also im selben Takt weiter wie bei «Game of Thrones».
«House of the Dragon» ist – wie schon «GoT» – von George R. R. Martins Werk inspiriert. Die Serie basiert auf dem Roman «Feuer und Blut» (2018) und handelt von der mächtigen Dynastie des Hauses Targaryen. Die Story setzt 200 Jahre vor den Geschehnissen von «GoT» ein und erzählt von König Viserys I. Targaryen (Paddy Considine). Seit über 100 Jahren herrschen die Drachenreiter nun schon über die sieben Königreiche, und so soll es – ginge es nach den weisshaarigen Targaryens – auch weitergehen.
Wie jeder König soll Viserys die Thronfolge noch zu Lebzeiten regeln. Seine Erstgeborene Rhaenyra (Milly Alcock) kommt als Frau nicht in Frage, sein jüngerer Bruder Daemon (Matt Smith) ist ein hitzköpfiger Provokateur. Also soll ihm die Königin einen männlichen Erben gebären. Doch das geht in letzter Minute schrecklich schief – und ist beim Zusehen kaum zu ertragen.
Viserys muss sich nun zwischen Bruder und Tochter entscheiden. Seine Wahl fällt auf Rhaenyra, die damit zur ersten weiblichen Thronfolgerin in der Geschichte der sieben Königreiche wird.
So weit, so gut. Wer aber «Game of Thrones» gesehen hat, weiss, dass sich auf dem Kontinent Westeros vieles in nur einem Moment, mit einer Schlacht, einem Schwerthieb ändern kann. Jede Heirat, jede Geburt, jeder Tod kann das Spiel um den eisernen Thron grundlegend verändern. Das ist auch bei «House of the Dragon» nicht anders.
Zwar sind es hier nicht mehr in erster Linie die verschiedenen Häuser, die um die Vormacht in Westeros kämpfen, sondern einzelne Mitglieder derselben Familie. Und denkt man anfänglich noch, Kriegsgurgel Daemon Targaryen sei die grösste Gefahr für den Fortbestand der Drachenreiter-Macht, so merkt man schon bald, dass man da ziemlich falschliegen dürfte.
Es liegt in der Natur der Sache, dass man «House of the Dragon» mit der Mutterserie vergleicht. Neben vielen Gemeinsamkeiten fallen aber auch Unterschiede auf. Die augenfälligste Abweichung ist der eiserne Thron. Er ist nicht bloss aus in Schlachten eroberten Schwertern geschmiedet: Auch neben dem Thron ragen aberhunderte weitere Klingen wie ein Nagelbrett empor. Auch so lässt sich Macht demonstrieren.
Ebenfalls neu ist, dass die Drachen eine viel wichtigere Rolle spielen. Die Targaryens reiten auf ihnen und nutzen sie in Kriegen, um ihre Gegner zu verbrennen. Überhaupt setzen die Targaryens oft allerlei Dinge mit ihren Drachen in Brand. In «House of the Dragon» wird so viel geflogen und Feuer gespuckt wie nie. In einer der allerersten Einstellungen sieht man, wie Prinzessin Rhaenyra auf ihrem Drachen Syrax ihre Runden über King’s Landing dreht. Nach dem wilden Ritt zieht die junge Targaryen offensichtlich eine rauchige Duftnote hinter sich her. «Du stinkst nach Drache», reibt ihr ihre Mutter unter die Nase. Wie das riecht? Wohl eine Mischung aus Schwefel, Asche und animalischem Atem.
Gewöhnungsbedürftig sind einzig die grossen Zeitsprünge zwischen den einzelnen Episoden. Da vergehen gerne mal sechs Monate bis zehn Jahre zwischen zwei Folgen. Das erlaubt es zwar der Story, rasch voranzukommen, bedingt aber auch, dass einzelne Schauspieler ausgewechselt werden. So lernt man in der Hälfte der ersten Staffel eine neue Rhaenyra Targaryen (Emma D’Arcy) und ebenfalls eine neue Alicent Hightower (Olivia Cooke) kennen.
Wer «Game of Thrones» mochte, wird von «House of the Dragon» nicht enttäuscht sein. Es fühlt sich ein bisschen an wie Heimkommen ins vertraute Zuhause.
Sky Show | Fantasyserie | 1. Staffel
Mit Paddy Considine, Matt Smith, Milly Alcock, Eve Best, Emily Carey
USA 2022, ab 22. August 2022