«Nehmen Sie sich vor Erzählung und Form in Acht. Sie können uns der Wahrheit näherbringen, aber auch eine Waffe mit grosser Manipulationskraft sein!» Diese Worte spricht die berühmte Journalistin Christiane Amanpour am Anfang von «Disclaimer».
Es ist auch eine Warnung an das Publikum: Was in den 7 Kapiteln der Miniserie gezeigt wird, soll es nicht immer für bare Münze nehmen. Schon die Eröffnungssequenz (eine Sexszene an Bord eines Zuges ohne sichtbaren Schnitt) wird wie alle Rückblenden mit einer altmodischen Iris-Blende begonnen und beendet. Ist es mehr als ein harmloses Stilmittel?
«Disclaimer» basiert auf dem Roman von Renée Knight, und mit Oscarpreisträger Alfonso Cuarón («Gravity», «Children of Men») wagt sich einer der profiliertesten Filmemacher Hollywoods an den Stoff. Entsprechend kamen auch die Stars an Bord. Cate Blanchett spielt die Autorin Catherine Ravenscroft, die mit ihrem Mann Robert (Sacha Baron Cohen) in London lebt. Sie bekommt den Roman «The Perfect Stranger» in die Finger, der sie frappant an ihr Leben erinnert. Geschrieben hat ihn Nancy (Lesley Manville), die das Buch ihrem Sohn Jonathan widmete.
«Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind kein Zufall», steht im Vorwort. Nancys Mann Stephen (Kevin Kline) fand das Manuskript und veröffentlichte es. Das Manuskript taucht tatsächlich in die Vergangenheit ein: zu einer verhängnisvollen Reise nach Italien, in der Jonathan (Louis Partridge) auf die junge Catherine (Leila George) traf.
Cuarón hatte zwei gefeierte Kameramänner im Dienst: seinen langjährigen Wegbegleiter Emmanuel Lubezki sowie Bruno Delbonnel. Offenbar haben sie sich Gegenwart und Rückblenden aufgeteilt, denn der Kontrast ist immens. Einerseits das kühle London, andererseits das sonnige Italien, das einige der sinnlichsten Szenen des Serienjahrs parat hat. Auch diese Bildsprache – wir erinnern uns an Amanpours Worte – ist Teil des Konzepts, um das Publikum auf falsche Fährten zu lotsen. Wie «Disclaimer» langsam und unaufhaltsam sein Netz auswirft, erzeugt eine starke Sogkraft.
Auch wechseln immer wieder die Sympathien zu den exzellenten Schauspielern. Ist Kevin Kline ein Opfer seines tragischen Lebens oder ein Manipulator? Oder beides? Verdient Cate Blanchett Beschämung oder doch Empathie? Wenn dies geklärt wird, fühlt sich «Disclaimer» eine Spur zu ausformuliert an. Aber bis dahin ist es eine raffinierte erzählerische Reise, der man sich hingeben sollte.
Apple TV+ | Thriller-Miniserie
Mit Cate Blanchett, Kevin Kline, Sacha Baron Cohen
USA 2024, ab 11. Oktober 2024