Oberleutnant Ehrenberg hat eine interessante Wandlung vollzogen – vom seelisch abgewrackten Alkoholiker zum kämpferischen und motivierten Quasi-Kapitän eines U-Boots. Welchen Ehrenberg spielen Sie lieber?
Franz Dinda: Es gab für beide Ehrenbergs eine entsprechende Herausforderung. Und jede hat ihre Vorzüge. Ich mag die Entwicklung der Figur, weil sie gewachsen ist und wir viele Facetten dieses Charakters kennenlernen dürfen. Nichts wiederholt sich. Dieser gebrochene Mensch, der alles verloren hat, darf jetzt wieder Hoffnung schöpfen. Er muss sich sein gesundes Leben aber erst verdienen. Schliesslich hat er viel Schuld auf sich geladen – mit der Meuterei, dem Verrat an Kapitän Hoffmann und dem Mord an Kapitän Wrangel.
Sie haben mal ausgesagt, dass Sie während den Dreharbeiten so viel gelernt haben, dass Sie ein echtes U-Boot steuern könnten und sogar einen Tauchgang hinbringen würden, ohne unterzugehen.
(Lacht.) Zu dieser Aussage habe ich mich im Zustand geistiger Umnachtung hinreissen lassen. Ich wollte damit sagen, dass wir nicht einfach da reingehen und unsere Lines aufsagen, sondern uns wirklich technisch intensiv mit der Materie befassen. Das macht einen Teil der Atmosphäre aus, von der das Format lebt. Wir haben einen echten Militärinstruktor zur Seite, den wir zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Fragen löchern dürfen.
Man darf nicht klaustrophobisch veranlagt sein, wenn man in so einem engen U-Boot dreht, oder?
Ja, man muss dafür schon einen gewissen Masochismus in sich tragen. Aber das ist gut so. Dem Schauspieler hilft alles, was der Figur dienlich ist. Was oft vergessen wird: Wir hatten ja nicht nur die versammelte Mannschaft im Boot, sondern auch das Filmteam. Da pressten sich immer noch sechs, sieben Leute rein, die hinter der Kamera standen.
Das ist punkto Corona-Prävention nicht gerade ideal. Die dritte Staffel haben Sie mitten in der Pandemie gedreht. Was war beim Dreh anders als bei den ersten beiden Staffeln?
Genau. Mitten in der Pandemie, mitten im Hotspot. Die Szenen, die im Boot spielen, drehten wir in einem Studio in Prag. Wir arbeiteten unter erschwerten Umständen, während andere Produktionen aus Risikogründen eingestellt wurden.
Und wie habt ihr euch geschützt?
Wir wurden vor jedem Einsatz getestet, und wir trugen durchgehend Maske, die wir ausschliesslich ablegen durften, wenn die Kameras liefen. Die Crews wurden in farbliche Zonen aufgeteilt. Wehe, man tauchte in einer Zone auf, in der man nichts zu suchen hatte. Das war echt eine Herausforderung. Normalerweise setzt man sich nach Drehschluss mit den Kollegen zusammen, um sich auszutauschen. Das war in diesem Fall kaum möglich.
Mit Spin-Offs an Erfolgen von Kult-Produktionen anknüpfen zu wollen, birgt immer ein Risiko, weil man daran gemessen wird. Wieso sind Sie dieses Risiko eingegangen?
Das Thema hat mich von Anfang an in den Bann gezogen. Die Idee, aus Wolfgang Petersens Kultfilm von 1981 ein Serienkonzept zu machen, wohlwissend, dass dieser grossen Legende nicht nachgeeifert wird, weil die Geschichte ja nicht neu erzählt, sondern fortgesetzt wird, war ein Projekt, bei dem ich unbedingt mitgewinnen oder mitscheitern wollte.
«Das Boot» ist in 100 Ländern zu sehen. Was ist das für ein Gefühl, plötzlich ein Weltstar zu sein?
Ich bin kein Weltstar (lacht). Wir haben sicherlich ein weltweites Publikum gewonnen. Das ist ein schönes Gefühl. Aber ich schöpfe meine Wertschätzung mir selbst gegenüber nicht aus der Anzahl meiner Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern aus der Art meiner Leistung. Jeder Theaterschauspieler, der vor 300 Leuten spielt, hat den gleichen Respekt verdient, wie jemand, der das Glück hat, in einem Format zu stecken, das weltweit gezeigt wird. Sich dafür feiern zu lassen, ist relativ einfach.
Die dritte Staffel wurde wegen des Ukraine-Krieges verschoben. Begrüssten Sie diesen Entscheid?
Die Verunsicherung bei Kriegsausbruch war bei allen gross. Ich habe natürlich Verständnis, dass man erst mal abwarten wollte. Meine feste Überzeugung ist aber, dass sich das Format seiner Stärken als Antikriegsserie durchaus bewusst sein darf. Die Serie erzählt von den Gräueltaten des Krieges, während ein Krieg in Europa tobt. Uns wird vor Augen geführt, dass Frieden ein Privileg ist, das es zu schützen gilt. Nationalismus und Populismus sind ganz bösartige Ideen der Gegenwart, die politisch instrumentalisiert werden. Und das darf nicht sein.
«Das Boot» wird in verschiedenen Sprachen gedreht. Besteht da die Gefahr, die Zuschauer zu überfordern?
Diese Diskussion führen wir schon lange. Als Filmschaffende wünschen wir uns, dass die Mehrsprachigkeit zwingend erhalten bleibt, weil die auch den Charme der Serie ausmacht. Ich als Franz Dinda finde es ein Gräuel, wenn ich einen Schauspieler nicht mit seiner echten Stimme höre. Wenn die Geschichte impliziert, dass da mehrere Kulturen aufeinandertreffen, mache ich doch etwas kaputt, wenn ich alle die gleiche Sprache sprechen lasse. Offenbar ist es aber wirklich so, dass das breite Publikum Untertiteln wenig abgewinnen kann. Ich hoffe aber, dass sich das dank der Internationalisierung des Streamens wieder in eine andere Richtung dreht.
Sie tragen immer noch den Bart von Oberleutnant Robert Ehrenberg. Ist das nun auch Ihr privater Look?
Nein. Ich war nach Drehschluss der dritten Staffel meines Bartes überdrüssig geworden und rasierte nicht nur den ab, sondern entledigte mich auch meiner Kopfhaare. Dass ich nun wieder als Ehrenberg daherkomme, hat damit zu tun, dass wir nächsten Monat mit dem Dreh der vierten Staffel beginnen.
«Das Boot» ist eine Produktion von Bavaria Fiction
> Zum Interview mit Rick Okon (Klaus Hoffmann)
> Zum Interview mit Elisa Schlott (Greta Nussmeier)
Sky Show | Dramaserie | 3. Staffel
Mit Franz Dinda, Tom Wlaschiha, Rick Okon, Elisa Schlott
D/CZ 2021, ab 14. Mai 2022