Die dritte Staffel von «The Witcher» steht unter keinem guten Stern: Im Vorfeld wurde bekannt, dass Hauptdarsteller Henry Cavill genug hat und ab der nächsten Staffel durch Liam Hemsworth («Die Tribute von Panem») ersetzt wird. Das allein wäre verkraftbar, das Problem ist das ganze Drumherum.
Zum einen ist Cavill in Fan-Kreisen ausgesprochen beliebt: Er ist ein leidenschaftlicher Nerd, liebt die «Witcher»-Bücher und -Games und wollte der Figur die gebührende Ehre erweisen. Doch er hatte wenig zu sagen am Set, und die Fans kamen schnell überein, dass sein Abgang ein Protest war, weil sich die Serie von den Ideen des polnischen Romanautors Andrzej Sapkowski entfernt hatte.
Dass Cavill im Gegenzug die Hauptrolle bei einer anderen grossen Gamer- und Nerd-Franchise (der Amazon-Serie «Warhammer 40 000») annahm, bei der er seine Vision auch als Co-Produzent besser einbringen können wird, untermauerte diese Spekulation noch. Die dritte Staffel ist also Cavills Abschied von «The Witcher», und in jeder Szene fragt man sich, wie sehr er über seinen Schatten springen musste. Das färbt aufs Seherlebnis ab.
Inhaltlich schliesst das Ganze an die vorangegangene Staffel an. Der Hexer Geralt von Riva (Henry Cavill) ist mit seinem Mündel Ciri (Freya Allan) beinahe rastlos unterwegs, denn überall lauern menschliche und überirdische Bedrohungen: gegnerische Fraktionen, Monster, Kopfgeldjäger oder die Geister der wilden Jagd.
Immerhin hat nun Yennefer von Vengerberg (Anya Chalotra) wieder auf ihre Seite gewechselt. Die Zauberin versucht, Ciri auszubilden und deren magische Kräfte nutzbar zu machen. Gleichzeitig muss Yennefer auch Geralt wieder von ihren guten Absichten überzeugen, denn ihr «lieber Freund», wie sie ihn in ihren Briefen nennt, hat in der zweiten Staffel das Vertrauen in sie verloren. Yennefer wollte damals Ciri opfern, um ihre schwindende Macht wiederherzustellen – was bei Geralt natürlich nicht gut ankam (und bei vielen Fans auch nicht).
Das Trio steht nun ganz im Zentrum der Handlung, die sich mehr oder weniger an Sapkowskis «Die Zeit der Verachtung» (1995) orientiert. Doch es gibt auch eine Vielzahl von zurückkehrenden Figuren wie den loyalen Minnesänger Jaskier (Joey Batey), der jedoch nicht mehr so einprägsam ist wie in Staffel eins, als er nicht zuletzt mit seinem Lied «Toss a Coin to Your Witcher» Teil der Popkultur wurde.
Einprägsam ist sowieso wenig. Sapkowski hat eine imposante Welt aufgebaut mit Reichen und Fraktionen, doch in der Serie wird das nie richtig greifbar. Charaktere kommen und gehen, manchmal ertappt man sich dabei, sich zu fragen, wer jetzt diese Person schon wieder ist. Die Welt, wie sie in Büchern und Games die Phantasie von Lesern und Spielern beflügelte, erwacht nie richtig zum Leben. Das raubt der Serie viel Kraft. Die dritte Staffel macht noch klarer als alle vorher: «The Witcher» ist eine Serie der verpassten Möglichkeiten, so gefällig sie auch inszeniert ist, so gelungen einzelne Szenen auch sein mögen.
Die letzten drei Folgen dieser Staffel zeigt Netflix übrigens losgelöst vom Rest: Die Ausstrahlung erfolgt gut einen Monat später, am 27. Juli.
Netflix | Fantasyserie | 3. Staffel
Mit Henry Cavill, Anya Chalotra, Freya Allan, Joey Batey
USA 2023, ab 29. Juni 2023