Mystery – ein Genre wie Aromat. Einmal geschmeckt, verlangen die Rezeptoren nach mehr! Happige Geheimnisse ziehen Zuschauer auf allen Streamingdiensten in ihren Bann. Das jüngste Mysterium brodelt in Dänemark und wird zum Jahreswechsel auf Netflix serviert. «Equinox» heisst die sechsteilige Miniserie, die auf einem dänischen Erfolgs-Podcast basiert.
In der Hauptrolle: Danica Curcic als Astrid, die mit einer traumatischen Erinnerung lebt. Ihre jüngere Schwester Ida verschwand vor 21 Jahren mitsamt ihrer Schulklasse auf ungeklärte Weise, seither wird Astrid von düsteren Visionen heimgesucht.
Schon allein der Trailer von «Equinox» hält die wichtigsten Zutaten für ein zeitgemässes Mystery-Rezept bereit. Zuerst mal sensible Charaktere, deren Leben verstörende Wendungen nimmt. Dann der wohldosierte Kontrast zwischen Alltäglichkeit und sonderbar archaischen Riten. Eine treibend geschnittene Folge symbolbeladener Bilder bringt die Melange schliesslich zum Kochen.
Hatten Sie gerade ein Déjà-vu? Natürlich fällt im Vorfeld die deutsche Erfolgsproduktion «Dark» als Vergleich. Auch «True Detective» und Häppchen von «The OA» sowie «The Killing» schwingen mit. Das Internet schäumt über mit Spekulationen, und Genre-Fans erhoffen sich viel von der Serie. Was direkt zu des Mystery-Pudels Kern führt: dem Spiel mit Erwartungen.
Autoren und Regisseure, die sich in ihrer Erzählung auskennen und die Spielregeln der Story definiert haben, können uns leichter bei Laune halten — mag die Serie noch so kryptisch sein. Wer die Erwartungshaltung seines Publikums kennt, baut einfacher Spannung auf, lockt leichter auf falsche Fährten und schürt die Neugier. Auch der Schluss entscheidet über die Gunst des Zuschauers. Eine miese Auflösung kann rückwirkend alles verderben, schliesslich hat man einer Serie viel Zeit geschenkt.
Man erinnere sich nur an das unbefriedigende Ende von «Lost» (2004–2010), das viele Fans ratlos, enttäuscht, ja gar wütend zurückliess. Den Serienschöpfern um J. J. Abrams schien die verworrene Handlung des komplexen Inselmysteriums entglitten zu sein.
Das Ende einer Mysteryserie muss nicht immer total einleuchtend sein, aber es muss ein schlüssiges Gefühl vermitteln. Deshalb sind offene Enden akzeptabler als Deus-ex-Machina-Hokuspokus.
Klassiker wie «Twin Peaks» oder neue Vertreter des Genres wie «The OA» zeigen, dass auch Mysteryserien wie Mosaike funktionieren können: Sie sind zuweilen surreal und esoterisch, werden aber von einer umfassenden, kreativen Atmosphäre umschlossen.
Serien hingegen, die eine innere Logik behaupten und ihre Rätsel mathematisch aufzubauen versuchen, scheitern eher.
In solchen Fällen bleibt nicht das Ziel in Erinnerung, sondern der unterhaltsame Weg dorthin. Für «Equinox» hoffen wir, dass alles gut ausgeht. Nicht unbedingt für die dramatischen Figuren in der Serie – aber für uns Mystery-Junkies.
Netflix | Mysteryserie | 1. Staffel | DNK 2020
Mit Danica Curcic, Lars Brygmann, Karoline Hamm, Hanne Hedlund, Fanny Bornedal.
Vielversprechender Nervenkitzel in nordischer Qualität
seit 30. Dezember