Die Todesliste

«Ich bin auf 511! Wie bin ich auf fünfhundert bekackte elf gekommen?» Christian ist fassungslos. Der junge Mann muss aus einer sensationslüsternen TV-Sendung erfahren, dass er in der Rangordnung abrupt abgesackt ist. «Was willst du?», entgegnet sein Kumpel, «du hast einen Lkw geschrottet!»

Die Regeln auf der Nordseeinsel Helgoland sind strikt: Exakt 513 Menschen dürfen hier leben. Nicht mehr, damit sich die Ressourcen nicht verknappen; nicht weniger, damit das System nicht kollabiert. Wird ein Kind geboren, heisst das: Freiwillige vor! Stürzt sich niemand von der Klippe, stimmen die Insulaner ab, wer von den Plätzen 511 bis 513 sterben muss.

Wir schreiben das Jahr 2039: Während einer Pandemie fliehen Überlebende auf die einzige virenfreie Insel Deutschlands. Doch da die Ressourcen der autarken Gemeinschaft begrenzt sind, wird das Leben der 513 Bewohnerinnen und Bewohner durch eine gnadenlose Rangordnung bestimmt: Wer sich nicht an die Regeln hält oder sich sonst etwas zuschulden kommen lässt, wird auf die hinteren Plätze verbannt. Und ist dem Tod geweiht. Als Herrscherin auf Helgoland setzt Beatrice (Martina Gedeck) diese Regeln knallhart durch. Doch Gefahr droht auch vom verseuchten Festland: Dort herrschen Gewalt und Anarchie – das nackte Grauen. Und eine skrupellose Gruppe bereitet sich darauf vor, die vermeintliche Trauminsel zu erstürmen.

Ein tödliches Virus wütet. Welche Szenarien sich daraus ergeben können, ist seit der Pandemie in den meisten Köpfen angekommen. Dabei sei die Idee zu «Helgoland 513» schon Jahre zuvor und aus anderen Beweggründen aufgekeimt, sagt Drehbuchautor Florian Wentsch. «Das war 2015 – zu einer Zeit, die stark geprägt war durch die Bilder von Flüchtenden auf dem Mittelmeer.» Natürlich hätten ihn auch die Meldungen um Sars und Ebola und die Sorge vor einer Pandemie dazu angeregt, schiebt Wentsch nach.

Als 2020 dann das Coronavirus über die Welt hinwegfegte, befand sich «Helgoland 513» mitten in der Entwicklungsphase. «Plötzlich mussten gewisse Prognosen nicht mehr so stark in Zweifel gezogen werden», erzählt der ausführende Produzent Oliver Ossege. Zu Beginn ihrer Schreibarbeit war es noch schwer vorstellbar, «wie zerbrechlich die Schale der Zivilisation sein kann, wie schnell Panik ausbricht und selbstsüchtiges Verhalten zu Tage tritt, wenn ein Virus grassiert». Das habe Corona auf einmal viel greifbarer gemacht, «wenn auch zum Glück weniger extrem als in der Serie».

«Helgoland 513» ist eine dystopische Vision, die existenzielle Fragen aufwirft: Was macht Abschottung mit einer Gesellschaft? Wie entscheidet sich, wer eine Daseinsberechtigung hat, wenn Nahrung und Trinkwasser knapp werden?

Erst recht, wenn wie zurzeit 514 Menschen auf Helgoland leben. Einer zu viel! Ein Gespräch zwischen Regentin Beatrice und dem einzigen Arzt auf der Insel bringt das Dilemma auf den Punkt. Dr. Marek (Alexander Fehling) gibt zu bedenken, dass dieser eine Bewohner mehr nun wirklich kein Problem darstelle. Doch Beatrice fährt ihm übers Maul: «Dulden wir nur einen mehr, wird jeder sagen, warum er und nicht ich? Ab dem Moment will jeder die Ausnahme sein. Und bald wird sich keiner mehr an unsere Regeln halten, und wir haben das absolute Chaos.»

Welches Schicksal dem jungen Mann auf Platz 511 blüht, wird hier natürlich nicht verraten. Aber es wird eng für ihn, denn eine Inselbewohnerin hat unverhofft Zwillinge geboren.

«Helgoland 513» ist die letzte Dramaserie von Sky Deutschland. Der Medienkonzern produziert künftig keine fiktionalen Inhalte mehr. Schade.