Es hätte anders laufen sollen. Peter Jacksons Adaption von J.R.R. Tolkiens «Der Herr der Ringe» ist eine der beliebtesten Filmtrilogien aller Zeiten, scheffelte ganz viel Geld, holte Oscars und lockte gar Fantasy-Muffel ins Kino. So jubelten viele Fans, als Amazon sich die Rechte an Tolkiens Werken sicherte und ankündigte, eine Serie namens «Die Ringe der Macht» zu drehen.
Es sollte kein Schnellschuss sein, sondern über fünf Staffeln angelegt und ausgestattet mit einem Budget von einer Milliarde Dollar! Doch im Vorfeld rumorte es bei einigen Fans lautstark. Grund: Die unerfahrenen Showrunner Patrick McKay und J.D. Payne haben Handlungselemente, die bei Tolkien Hunderte von Jahren entfernt liegen, zusammengefasst. Sie haben zudem etablierte Charaktere verändert und teilweise mit dunkelhäutigen Schauspielern besetzt.
Das ist ein leidiges Reizthema, und natürlich haben sich Youtuber und Kommentatoren darauf gestürzt – die finanziell lukrative Maschinerie der Entrüstung muss schliesslich geölt werden. Kurz: «Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht» geriet ins Getümmel des amerikanischen Kulturkriegs um die Deutungshoheit in Hollywood, wie zuvor schon «Die letzten Jedi», «Captain Marvel» oder jüngst «Lightyear». Doch selten schienen die Positionen so unverrückbar bezogen wie jetzt.
Die eigentliche Serie geriet völlig in den Hintergrund. Sie spielt mehrere tausend Jahre vor den Ereignissen in «Der Herr der Ringe», im sogenannten Zweiten Zeitalter. Tolkien siedelte dort zwar keinen kompletten Roman an, hat aber in einigen Anhängen und Schriften die Eckpfeiler etabliert. Daran orientiert sich nun «Die Ringe der Macht» und erzählt, wie die 20 Ringe geschmiedet wurden, wie Saurons Einfluss wächst und wie die Elbin Galadriel (Morfydd Clark) seinen finsteren Plänen auf die Schliche kommt.
Gedreht wurde die erste Staffel primär in Neuseeland, wo auch Jacksons Trilogien «Der Herr der Ringe» und «Der Hobbit» entstanden. Und noch eine Verbindung zu den Filmen gibt’s: Als Komponist kam der oscargekrönte Komponist Howard Shore an Bord. Ansonsten findet sich hinter der Kamera ein neues Team. Eines, das Wert auf andere Sichtweisen auf Mittelerde legte. Und auf praktische Effekte. Sogar der Titelvorspann wurde real hergestellt – und zwar vom legendären Trick-Maestro Douglas Trumbull («2001 – Odyssee im Weltraum»). Es war seine letzte Arbeit: Er starb diesen Februar.
Da vor der Kamera nur mässig bekannte Namen auftreten, scheint das Geld also primär in die Entstehung von Mittelerde geflossen zu sein. Selbst wenn Fans weiterhin bezüglich Inhalt ausser sich geraten, dürfte zumindest allen etwas fürs Auge geboten werden.
Prime Video | Fantasyserie | 1. Staffel
Mit Morfydd Clark, Nazanin Boniadi, Cynthia Addai-Robinson
USA 2022, ab 2. September 2022