Spanien, Sommer 2017, spätnachts: Österreichs FPÖ-Chef fläzt sich, von zig Wodka-Red-Bull-Infusionen zugedröhnt, auf einem ausgeleierten Sofa in einer Finca auf Ibiza. Heinz-Christian Strache (Andreas Lust) sitzt in der Falle. Reingelegt vom halbseidenen Privatdetektiv Julian H. (Nicholas Ofczarek) sowie dem attraktiven Lockvogel, einer russischen Oligarchin (Anna Gorshkova). Julian will Strache mit der mysteriösen Millionenerbin geschäftlich verkuppeln. Ihn aus der Reserve locken. Ihn der Korruption überführen. Versteckte Kameras filmen die Szene.
Straches Emotions-Pegel steigt mit jeder zusätzlichen Dosis Wodka-Red-Bull. Er bezeichnet Journalisten als die «grössten Huren dieser Welt», bietet der Oligarchin Unterstützung an, wenn sie die zum Verkauf stehenden Anteile der mächtigen Wiener «Kronen-Zeitung» übernähme, unliebsame Redaktoren entferne und das Blatt auf strammen FPÖ-Kurs trimmen würde. Als Gegenleistung bekäme ihr Baukonsortium möglicherweise fette Aufträge vom Staat. Von einer Regierung, in der Strache künftig das Sagen hätte.
Drei Monate später gewinnt die FPÖ die Austria-Wahl, Strache wird Vizekanzler. Geniesst die Geilheit der Macht. Bis die Bombe im April 2019 doch noch platzt. Ein Zusammenschnitt des Videos jener Nacht gelangt an die Öffentlichkeit. Kurze Zeit später tritt Strache zurück, wenige Tage danach beendet Kanzler Kurz die ÖVP-FPÖ-Koalition.
Strache ist politisch-moralisch erledigt. Doch auch juristisch? Ende Juli begann Teil 1 der Ibiza-Prozesse in Wien. Nur der Anfang einer Aufarbeitung eines Skandals, in dem der Täter auch Opfer ist und die Fallensteller auch Täter.
Vor diesem Hintergrund entstand die vierteilige Mini-Serie, welche sich auf das Buch «Die Ibiza-Affäre: Innenansichten eines Skandals» der «SZ»-Journalisten Obermaier/Obermayer beruft. An sie hatte sich Julian H. damals gewandt, um Strache zu stürzen.
Der Fall enthält neben der politischen Brisanz genauso einen komödiantischen Kern. Diesen Aspekt blähten die Drehbuchautoren Stefan Holtz und Florian Iwersen raffiniert humoristisch auf. Sie präsentieren uns eine vom Wahnsinn umzingelte Wiener Melange aus zwielichtiger Halbwelt, blanker Egomanie und drittklassigem Schmierentheater. Ein satirisch angehauchter Gaunerstadl, mit selbstironischem Zuckerguss, dessen Protagonisten irgendwie dringend bei Dr. Freuds Enkel auf die Couch gehörten. Allen voran: Privatdetektiv Julian H. Schauspieler Nicholas Ofczarek (u. a. bekannt aus «Der Pass») brilliert als ein von Paranoia verfolgter Milieu-Strizzi – mal Kotzbrocken, mal Kuschelbär. Ein kettenrauchendes Suff-Monster, das sich selbst kaum leiden mag. Als in einer Szene seine – na sagen wir – «Geliebte» ihn fragt, warum Julian sie möge, antwortet er: «Weil du die Einzige bist, die es mit mir aushält.»
Während Folge 1 aufgrund einiger nötiger, doch verwirrender Rückblenden noch ein wenig rumeiert, nimmt die Serie ab Folge 2 richtig Fahrt auf, findet immer mehr auf die perfekte Spur, lässt die Akteure genüsslich im Käfig der Gier und des Verderbens vor sich hinschmoren. So gnadenlos empathiebefreit, dass der Zuschauer in Momenten der Nachsicht fast schon Mitleid für die von Selbstsucht zerfressenen Charaktere empfindet.
Neben dem fiktional aufgebrezelten Vierteiler schaltet Sky Show ab dem 21. Oktober zusätzlich eine klassische Doku zur Ibiza-Affäre auf. Die ideale informative Vorspeise für den köstlichen Serien-Hauptgang.
Das erste Resultat der filmischen Verdauung der «Ibiza-Affäre» überzeugt auf ganzer Linie. So kann’s gerne weitergehen. Na dann: Besten Dank für die Show, H.-C. Strache!
Sky Show | Miniserie | Mit Nicholas Ofczarek, David Ali Hamade, Anna Gorshkova. Regie: Christopher Schier.
Subtile, irrwitzige Verarbeitung eines Politdramas
D 2021, ab 21. Oktober