Manchmal brauchen grosse Siege länger. Netflix liess Ralph Macchio («Karate Kid», 1984) abblitzen, als der eine Neuauflage der Kultfilme in Serienform unter dem Namen «Cobra Kai» anbot. Wie es sich für eine Kämpfernatur gehört, gab der heute 59-Jährige nicht auf. Er ging zu YouTube, wo die ersten beiden Staffeln mit 55 Millionen Zuschauern pro Folge Einschaltrekorde brachen.
Netflix gab sich geschlagen und lockte erfolgreich mit einem grösseren Budget und der Aussicht auf weitere Staffeln. Die dritte läuft nun am 8. Januar beim Streamingriesen an. Macchio: «So haben wir halt einen kleinen Umweg genommen.»
Wir erinnern uns: «Cobra Kai» spielt drei Jahrzehnte nach dem All Valley Karate Tournament, in dem Daniel LaRusso (Macchio) Erzfeind Johnny Lawrence (William Zabka) mit dem legendären Kranich-Kick besiegt hat. Daniel ist inzwischen verheiratet, hat zwei Kinder und ist ein erfolgreicher Autohändler.
Als der alte Rivale Johnny den «Cobra Kai Dojo»-Karateklub wiedereröffnet, kontert Daniel, indem er ausgerechnet dessen Sohn Robby trainiert. Der startet eine neue Rivalität mit Cobra Kais bestem Kämpfer Miguel – sowohl auf der Matte als auch im Buhlen um die Liebesgunst von LaRusso-Tochter Samantha.
Nachdem in Staffel 2 Johnnys psychopathischer Ex-Sensei Kreese dazustiess, erscheinen in der neuen Staffel noch weitere alte Bekannte aus den Original-Filmen. So wie «Karate Kid II»-Bösewicht Chozen oder auch Daniels alte Flamme Kumiko.
Die Frage Nr. 1 der Fans, ob auch Jugendliebe Ali (Elizabeth Shue) ein Comeback gibt – darüber bewahrt Produzent Macchio augenzwinkernd Stillschweigen: «Schaltet am besten ein, dann erfahrt ihr es!»
Redseliger ist er, wenn es um sein Alter geht: «Können Sie glauben, dass ich sechs Jahre älter bin als Pat Morita (1932–2005), als er Mr. Miyagi zum ersten Mal gespielt hat?» Die Antwort ist nein.
Macchio sieht eher wie ein fitter Mittvierziger als wie ein fast Sechzigjähriger aus und sprüht vor jugendlicher Energie. Das verdanke er seinen guten Genen, seinem stabilen Privatleben (er ist seit 33 Jahren mit Jugendliebe Phyllis verheiratet) und dem Umstand, dass er sich sportlich fit gehalten hat. Allerdings nicht mit Karate. Das hat er nach Filmende ganz aufgegeben, «weil ich nie wirklich gut darin war».
Mit Filmrivale Zabka ist Macchio seit den 80er-Jahren privat befreundet. Doch ein bisschen Wettbewerb muss gleichwohl sein: «Wir necken und pushen uns gegenseitig, wer die Sachen besser hinbekommt. Wir geniessen den Erfolg von ‹Cobra Kai› ungemein. Die Chance, nach 30 Jahren zusammen den alten Erfolg nochmals auskosten zu können, die bekommt sonst fast niemand.»
Macchio ist stolz, dass bei jungen Fans auch die alten «Karate Kid»-Filme plötzlich wieder hoch im Kurs stehen: «Viele Kids lieben den Soundtrack.» Ihn selbst schaudert’s, sein junges Ich auf dem Bildschirm zu sehen: «Wenn ich Daniels Outfits von 1984 sehe, die Tarnfarbenhosen mit Karohemd, denke ich nur: Wie konnten wir uns das damals antun?»
Ralph Macchio lebt bis heute gemäss der wichtigsten Weisheit seines väterlichen Filmfreunds Mr. Miyagi: «Es kommt im Leben auf die richtige Balance an, nach der ich stets strebe – ob in Beziehungen, bei der Arbeit oder in der Freizeit.»
(Update aus dem Februar-Heft 2021)
Netflix | Dramaserie | 3. Staffel | USA 2021
Mit Ralph Macchio, William Zabka, Xolo Maridueña, Courtney Henggeler
Die Staffel startete früher als angekündigt. Nicht die einzige Überraschung! So kam Elisabeth Shue tatsächlich zum lange erwarteten Comeback. Doch im Zentrum steht der Konflikt der Dojos – wobei das Hin und Her der Loyalitäten etwas forciert wirkt. Die tollen Figuren und die solide Action machen’s aber mehr als wett. Und Ralph Macchios Japan-Trip ist einfach goldig.
- MSP
Kurzweiliges Hickhack der Kampf-Philosophien
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