Zahlreiche Mythen ranken sich um die Varusschlacht im Teutoburger Wald. Eines ist jedoch klar: Hätten die Germanen damals nicht gewonnen, sähe Europa heute anders aus. Höchste Zeit also, die Schlacht zu beleuchten.
«Barbaren» tut das in hollywoodreifer Manier. Die literarischen Quellen, die lediglich die römische Perspektive wiedergeben, sind dürftig, aber durchaus verheissungsvoll: Im Jahr 9 nach Christus lockt eine Schar Germanen drei römische Legionen in einen Hinterhalt und fügt dem Römischen Reich eine
der bittersten Niederlagen seiner gesamten Geschichte zu.
So gestaltet sich die Suche nach Authentizität zwar schwierig, dafür haben die Drehbuchautoren freie Bahn, den Stoff zu fiktionalisieren.
Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Andreas Heckmann haben genau dies getan: Alle historisch belegbaren Figuren tauchen in «Barbaren» auf. Wo die Quellenbelege fehlen, nehmen die Autoren selber die Fäden in die Hand und spinnen eine aufwühlende, brutale und mitreissende Geschichte um Verrat,
Rache und Freundschaft.
Die Fürstentochter Thusnelda (Jeanne Goursaud; siehe Interview hier) und Schwertträger Folkwin (David Schütter) müssen zusehen, wie die verhassten Römer ihr Reich nach und nach in germanische Lande ausdehnen. Um den Germanen zu zeigen, dass die Römer durchaus nicht unantastbar sind, stehlen die zwei Kindheitsfreunde einen Legionsadler aus dem römischen Lager. Das bringt den ausgehandelten Frieden in Gefahr.
Der römische Statthalter Varus beauftragt seinen Ziehsohn Arminius (Laurence Rupp) mit der Tötung der Diebe. Arminius, selber von germanischer Herkunft, erkennt in den beiden seine früheren Freunde wieder. Er beginnt ein Doppelleben, um schliesslich die vereinten germanischen Stämme gegen das zahlenmässig weit überlegene römische Heer in den Kampf zu führen.
Eindrücklich werden die Unterschiede der beiden Kulturen dargestellt. Während die Römer in Astronomie und anderen Wissenschaften nach Fortschritt streben, halten die Germanen die Planeten für Lagerfeuer der Himmelsgeister.
Viel Zeit, um diese Informationen zu verarbeiten, bleibt indes nicht. Das Tempo ist konstant hoch und wechselt gekonnt zwischen den einzelnen Erzählsträngen hin und her. Ausserdem spritzt immer wieder Blut, und zahlreiche Figuren treten den Weg ins Totenreich bzw. ins Walhalla an.
So bleibt «Barbaren» immer kurzweilig und dennoch informativ. Man fühlt sich – bis auf die moderne deutsche Sprache der Germanen, die dem eloquenten Latein, das die Römer konsequent sprechen, entgegengesetzt wird – in der Tat um 2000 Jahre zurückversetzt.
Netflix; Historienserie, 1. Staffel
Mit Jeanne Goursaud, Laurence Rupp; Showrunner: Arne Nolting, Jan Martin Scharf
Archaisch und gewaltig: toll inszenierte Geschichtsstunde
D 2020, seit 23. Oktober