Ob «Frühstück bei Tiffany» oder «Ghostbusters», ob «Wall Street» oder «Manhattan» – New York spielte in zahlreichen Filmen verschiedenster Genres eine Hauptrolle. Nun reiht sich also auch Sofia Coppola in die namhafte Liste von Regisseuren ein, die der amerikanischen Millionenmetropole ein filmisches Denkmal setzen.
Die junge Schriftstellerin und zweifache Mutter Laura (Rashida Jones) kümmert sich hingebungsvoll um ihre Kinder, leidet aber an einer Schreibblockade. Ihr Mann Dean (Marlon Wayans) hat soeben eine Firma gegründet und ist ständig auf Achse. Eines Abends findet Laura in seinem Koffer ein Damen-Necessaire und fällt aus allen Wolken: Betrügt ihr Mann sie etwa? Als sie ihrem Vater Felix (Bill Murray) davon erzählt, überzeugt er seine Tochter davon, ihrem Mann abends zu folgen. Nur so lasse sich Gewissheit erlangen. So hängen sich die zwei in einem – alles andere als unauffälligen – roten Alfa-Romeo-Cabrio an die Fersen des Verdächtigen. Während sie Dean immer wieder aus den Augen verlieren, hinterfragen Vater und Tochter die eigene Beziehung und führen sich vor Augen, dass sie aus zwei ganz unterschiedlichen Generationen stammen.
Getragen wird dieser Generationenkonflikt – und notabene der ganze Film – von Bill Murray und Rashida Jones, die in ihrem Zusammenspiel aufblühen. Die beiden liefern sich explosive Wortgefechte, schwanken zwischen tiefer Zuneigung, väterlichem Beschützerinstinkt und bissigen Vorwürfen hin und her und kreieren so eine prickelnde Chemie. Vor allem Murray verkörpert die «Martini-Generation» mit einer derart einnehmenden Wucht, dass man ihm den Dandy, ohne zu zögern, abkauft.
Die zweite wichtige Beziehung des Films – die Ehe von Laura und Dean – fällt dagegen ab. Sie sollte wohl die Widersprüchlichkeiten eines modernen Paars im 21. Jahrhundert aufzeigen. Doch die Rollenbilder sind etwas gar plakativ montiert: Er scheint vor allem deshalb zu arbeiten, um dadurch seine Frau zu beeindrucken, und schenkt ihr zum Geburtstag eine patente Küchenmaschine – während sie ihm zu Hause den Reisekoffer auspackt und sich um die Kinder kümmert. Man kauft Jones und Wayans denn auch in keiner Szene das glücklich verheiratete Paar ab nicht einmal bei der Hochzeit ganz zu Beginn. Und bei den Dialogen schleichen sich immer wieder Längen ein.
Mit Wehmut erinnert man sich an Coppolas Geniestreich «Lost in Translation» (2003) zurück: an die feine Ironie, den sarkastischen Humor und die sanfte Melancholie, welche die Gespräche der beiden Seelenverwandten Bill Murray und Scarlett Johansson durchzogen. Auch im Vergleich zu den anderen Filmen Coppolas bleibt «On the Rocks» blass. Dies mag unter anderem daran liegen, dass sie von ihren bewährten Rezepten abweicht. Arbeitet sie sonst mit aussagekräftigen Bildkompositionen und wenig Text, dominiert hier die Farbe Grau.
Felix sorgt jedoch für zahlreiche Farbtupfer und angenehme Nostalgie. Und wer New York mit einem Bill Murray in Hochform entdecken will, dem sei dieses augenzwinkernde Abenteuer ans Herz gelegt.
Apple TV+; Tragikomödie
Mit Bill Murray, Rashida Jones, Marlon Wayans; Regie und Drehbuch: Sofia Coppola
Es zwischenmenschelt etwas forciert, doch Murray brilliert
USA 2020, seit 23. Oktober 2020
Sofia Coppola erklärt, wieso nur bill murray als Hauptfigur in Frage kam.
Wie entstand die Idee, mit «On the Rocks» eine moderne Komödie zu produzieren?
In all meinen Filmen gibt es humoristische Momente, was ich sehr mag. Ich war in der Stimmung, etwas Leichtfüssiges zu machen, im Stil der klassischen, anspruchsvollen Komödien, mit denen ich aufgewachsen bin.
Somit haben Sie sich auch für ein dialogstarkes Genre entschieden.
Das war sehr ungewohnt für mich, da ich immer vor Dialogen zurückgeschreckt bin. Somit musste ich meinen gewohnten Arbeitsprozess, bei dem ich oftmals mehr über Bilder und Farben nachgedacht habe, umkrempeln. Auch die Dreharbeiten waren eine Herausforderung. Wie inszeniert man viel Dialog, ohne dass es langweilig wird? Aber Rashida Jones und Bill Murray fanden einen derart guten Draht zueinander, dass sie die Szenen beinahe im Alleingang trugen.
Was veranlasste Sie dazu, nach «Lost in Translation» erneut mit Bill Murray zusammenzuarbeiten?
Als ich Felix, die charismatische und exzentrische Vaterfigur, skizzierte, begann ich mich zu fragen: «Was würde Bill damit anfangen?» Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass nur er einer derart komplexen Figur die nötige Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit verleihen würde.
Was sich im Film auch bestätigt hat.
Absolut! In einer exemplarischen Szene sollte er an einem Blumenstrauss riechen. Er umschlang den Strauss und tauchte richtiggehend in die Blüten ein! So etwas würde nur Bill tun.
Sie haben den Film in New York gedreht, ihrer Heimatstadt.
Ich wollte meine eigene Realität und Sichtweise auf die Stadt, in der ich lebe und die ich liebe, darlegen – und nicht eine Kopie berühmter New-York-Filme produzieren. Der Film sollte die romantisch-nostalgische, aber auch die moderne und zeitgenössische Seite der Stadt einfangen. Zusammen mit meinem Kameramann Philippe Le Sourd ist mir das, glaube ich, ganz gut gelungen (lächelt).