Als Hillbilly (Hinterwäldler) gelten in den USA Leute der weissen Unterschicht, die in ländlichen Regionen wie den Appalachen oder den Ozarks wohnen. Es ist ein eher abschätziger Ausdruck, der für rückständig, ärmlich, verwahrlost, religiös steht.
Damit spielt nun Ron Howards «Hillbilly-Elegie», die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von J. D. Vance (2016), der darin seine eigene Familiengeschichte aufrollt. Yale-Student Vance (Gabriel Basso) kehrt nach einem Hilferuf zu seiner Familie in Middletown, Ohio, zurück.
Die Sippe stammt aus den Appalachen, ist aber in den Rostgürtel gezogen, in die Industrieregion südlich der Grossen Seen, weil sie sich in den Stahlfabriken bessere Chancen erhoffte.
Doch die Fabriken schliessen, und die Familie hat auch sonst Probleme: Mutter Bev (Amy Adams) ist drogensüchtig, wechselt ständig die Männer. Der Vater ist abwesend.
Es ist noch am ehesten die Grossmutter Mamaw (Glenn Close), die zur Familie schaut. Sie ist aber alles andere als zimperlich: Als ihr Mann einmal betrunken auf dem Sofa liegt, zündet sie ihn einfach an.
Mit der Rückkehr kommen bei Vance Erinnerungen an seine Kindheit zurück, und er versteht besser, warum er wegwollte. Es ist der Blick eines Privilegierten von aussen, der auch die andere Seite kennt.
«Hillbilly-Elegie» ist die schnörkellose Darstellung einer Familie, die den amerikanischen Traum nur vom Hörensagen kennt. Ein Teufelskreis des Elends, das von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Vance wurde in den USA vorgeworfen, er versuche mit seinem Buch zu rechtfertigen, warum der Rostgürtel 2016 Trump gewählt hat. Das greift wohl zu kurz. Es ist eine Bestandsaufnahme ohne politische Lösungen. Ron Howard («Rush») adaptiert das Buch nun vorlagengetreu, mit tollen Schauspielern.
Netflix; Drama, USA 2020
Mit Gabriel Basso, Amy Adams, Glenn Close; Regie: Ron Howard
Ein Teufelskreis des Elends von US-Familien im Rostgürtel
ab 24. November auf Netflix; 12. November im Kino