Die Zeit ist gekommen: Nachdem Enola Holmes sich im gleichnamigen Netflix-Hit von 2020 kriminalistisch bewährt hat, kann es nur einen logischen Schritt geben – eine eigene Detektei! Enola, gespielt von «Stranger Things»-Star Millie Bobby Brown, ist bekanntlich die jüngere Schwester von Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Henry Cavill). Und während der sich an einem hochkomplexen Korruptionsfall die Zähne ausbeisst, macht Enola ihre ersten Schritte als professionelle Ermittlerin. Ein Wagnis: Niemand will die junge, unerfahrene Frau anheuern.
Da wendet sich ein kleines Mädchen an sie, dessen Schwester verschwunden ist. Enola stürzt sich leidenschaftlich in die Spurensuche, die sie in eine Streichholzfabrik und in ein Varieté führt, die sie aber auch wieder mit ihrem heimlichen Geliebten Lord Tewkesbury (Louis Partridge) zusammenbringt – und natürlich in den Fall ihres Bruders Sherlock verwickelt.
Wie schon im ersten Teil ist dies mit viel Tempo erzählt. Immer wieder sind Rückblenden eingeflochten, etwa zu Enolas Mutter Eudoria (Helena Bonham Carter), und kriminalistische Eingebungen werden mit schnellen Schnittmontagen anschaulich illustriert. Nicht zuletzt nutzt der Film, wie schon der Vorgänger, das Durchbrechen der vierten Wand. Enola spricht, ähnlich wie Deadpool oder She-Hulk, direkt mit dem Publikum und kommentiert nicht nur das Geschehen ironisch, sondern erklärt bei Bedarf auch schon mal fehlende Stücke in ihrem Fall.
Negativ zu Buche schlägt höchstens das letzte Drittel, das die Fäden zwar solide zusammenbringt, aber eine nicht vollends befriedigende Lösung auftischt. Bis dahin ist man jedoch längst gefangen in Enolas Welt – und der Familie. Millie Bobby Brown spielt Enola selbst mit viel Energie und – bei Bedarf – Verletzlichkeit.
Superstar Henry Cavill gibt Sherlock diesmal etwas menschlicher, besonders in der Schlussphase des Films, wenn er mehr Herz zeigt, als der berühmten Romanfigur normalerweise gegönnt wird. Das durfte er auch ganz legal, weil 2020 eine Klage des Nachlasses von Arthur Conan Doyle abgewiesen wurde, wonach Sherlock nur ohne Emotionen frei verwertbar sei, mit Emotionen aber vom Copyright geschützt sei ...
Ein dritter Teil darf gerne kommen. Material dafür gibt es ja genug: Die Filme basieren mehr oder weniger lose auf der «Enola Holmes»-Reihe von US-Autorin Nancy Springer (74). Und die umfasst derzeit sieben Bände.
Netflix | Krimikomödie
Mit Millie Bobby Brown, Henry Cavill, David Thewlis
USA/GB 2022, ab 4. November 2022