Höhlen sind nichts für zarte Gemüter: stockdunkel, kalt, nass – und oft gefährlich. Die Höhle, um die es hier geht, ist selbst für viele erfahrene Bergsteiger eine Nummer zu gross. In der Riesending-Höhle im bayerischen Berchtesgaden, die als längste und am schwersten zugängliche Höhle Deutschlands gilt, kennen sich nur wenige Höhlenforscher aus.
Einer von ihnen ist Josef Häberle (Roland Silbernagl). Er befindet sich mit drei Kollegen in mehr als 1000 Metern Tiefe im Berg, zwölf Kilometer vom Schachteingang entfernt, als über ihnen ein Steinschlag niedergeht. Josef wird schwer am Kopf verletzt, verliert das Bewusstsein. Für seine Begleiter ist klar: Sie müssen sofort Hilfe holen, Josef muss irgendwie aus der Höhle geschafft werden.
Während zwei Freunde ihn am Leben halten, gelangt Ralf Sommer (Jan Messutat) in einem waghalsigen Klettersprint innert eines halben Tages an die Oberfläche, um die Bergwacht zu alarmieren. Dort kommt man aber schnell ans Limit: Einsatzleiter Bertram Erhardt (Maximilian Brückner) merkt rasch, dass es weltweit nur ganz wenige Spezialisten gibt, die so tief in eine derartige Höhle vordringen können.
Während die Bergwacht zaudert und sich überlegt, wie man eine Rettung für unmöglich erklären könnte, handelt Ralf und sendet einen Hilferuf an die internationale Höhlenforscher-Gemeinschaft. Dazu gehört Birgit Eberharter (Verena Altenberger), eine Höhlenkletterin aus Salzburg, welche dem verletzten Josef viel zu verdanken hat. Mit Res Wolfensberger (Beat Marti) und der Ärztin Raffaela Pardeller (Sabine Timoteo) verstärken auch Experten aus der Schweiz das Rettungsteam.
Das zweiteilige Drama «Riesending – Jede Stunde zählt» schildert die gigantische Rettung (728 Personen waren involviert) in realistischen, ungeschönten Bildern. Etwa das Kompetenzgerangel zwischen Bergwacht, Politik und der internationalen Höhlenforscher-Gemeinschaft oder auch die vielen beklemmenden Szenen aus der Tiefe der Höhle. Oft sind die Stirnlampen der Bergleute und Ärztinnen die einzige Lichtquelle im eisigen Dunkel; das Keuchen der Retter macht in jenen Momenten jeden Dialog überflüssig.
Für das grosse Filmprojekt haben sich Deutschland und die Schweiz zusammengetan, Regie führt Jochen Alexander Freydank (Oscar 2009, Bester Kurzfilm). Ihm war es auch wichtig, in echten Höhlen zu drehen – und nicht im Studio. «Wir waren überzeugt», sagt Kameramann Thomas Dirndorfer, «dass dieses Gefühl nur in einer Originalhöhle und nicht im beheizten, gemütlichen Studio erzeugt werden kann.» In Kroatien wurde man fündig: «Die unterirdischen Szenen wurden auf drei relativ gut zugängliche Höhlen aufgeteilt», so Dirndorfer, «dennoch musste das Hauptmotiv über 370 Stufen und durch eine gerade mal menschengrosse Engstelle erreicht werden.»
Dieser Extra-Aufwand – dazu gehört auch das Höhen- und Seiltraining für den Cast – hat sich gelohnt. «Riesending» ist ein mitreissender Wettlauf gegen die Zeit.
Das Drama endet wie die wahre Geschichte, auf der es beruht: Am 19. Juni 2014, nach mehr als elf Tagen, wurde der schwerverletzte Johann Westhauser (im Film heisst er Josef Häberle) aus der Riesending-Höhle gerettet, vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Heute hat sich Westhauser so weit von den Strapazen erholt, er steigt sogar wieder regelmässig in verschiedenste Höhlen ab.
Netflix | Drama-Zweiteiler
Mit Verena Altenberger, Maximilian Brückner, Sabine Timoteo, Beat Marti
D/CH 2022, ab 1. Juli 2023