Sie sind eine Schöpfung aus Andy Warhols Welt der wilden 60er-Jahre. «The Velvet Underground» gingen nicht zuletzt durch die Pop-Art des Künstlers in die Popkultur ein. In seiner Doku zeigt der Filmemacher Todd Haynes überzeugend, warum die Avantgarde-Band ihren Kultstatus bis heute behalten hat.
Haynes kennt sich mit Dokus über Musiklegenden aus. Er hatte 2007 bei Bob Dylans Filmbiographie «I’m Not There» Regie geführt. Das Thema «The Velvet Underground» ist für den 60-Jährigen ein sehr persönliches. Er hatte die Band bereits zu Collegezeiten für sich entdeckt und wurde von der Musik nie mehr losgelassen.
Sein Film ist ein Tribut an seine alten Helden. Anstatt trocken die Aufstiegs-Story der Band zu erzählen oder in Fanboy-Manier ein überlanges Musikvideo zu produzieren, versetzt er sich kreativ in die Köpfe von Lou Reed und Co. Er zeigt, wie sich die Mitglieder gegenseitig pushten und wie, so Haynes, «ihr inneres Feuer als Flächenbrand auf die Fans übergesprungen ist».
In zwei sehr kurzweiligen Stunden mixt Haynes per Splitscreen eine geniale Montage aus bunten, schnellen Bildschnitten mit dem Sound der Band. Darüber hat er Interviews mit den beiden überlebenden Mitgliedern der Band – John Cale und Maureen «Moe» Tucker – und weiteren Insidern von damals gelegt. Bislang noch nie gesehene Schwarzweiss-Privataufnahmen ermöglichen die Zeitreise in die Anfangsjahre der Velvets und öffnen die Tür in das New York der 60er.
Da sieht man den 2013 verstorbenen Frontmann Lou Reed als oft launisches und unzähmbares Genie hinter dem Sound der Band. John Cale hatte mit Reed in einer erfolglosen Garagenband zusammengespielt. Dann beschloss das Duo, mit dem befreundeten Schlagzeuger Angus MacLise und Reeds Kommilitonen Sterling Morrison ihre eigene Rockgruppe zu gründen und durch die New Yorker Kneipen zu tingeln. Den Bandnamen «The Velvet Underground» verdanken sie dem gleichnamigen Buch von Michael Leigh über Sadomasochismus, das Reed im Abfall seines Vormieters gefunden hatte.
Der Durchbruch kam, als die Band bei einem Auftritt 1966 auf Andy Warhol traf. Der bot sich als Manager an und produzierte ein Jahr später das Debütalbum mit der deutschen Sängerin Nico. Das Kölner Model hatte Warhol der Band aufgezwungen. Die LP mit der reifen Banane auf dem Cover wurde zu einem der bedeutendsten Alben der Musikgeschichte.
Das Hauptfilmmaterial aus Haynes’ Doku stammt aus dem Warhol Museum in Pittsburgh und wurde vom Pop-Art-Künstler grösstenteils selbst gefilmt. Das Besondere: Für seine Clips trug Warhol Reed und Cale auf, zu schweigen, nicht zu lächeln und möglichst nicht zu blinzeln. Die anderen Aufnahmen hatte jemand aus der grossen Entourage von Warhol gemacht. In Haynes Worten: «In Warhols Welt hatte immer jemand eine Kamera dabei, und alles wurde dokumentiert.»
Spannend sind die Hintergrundstorys und Einschübe, die Cale und Tucker liefern. Als Showstehlerin des Films fungiert Mary Woronov, einst Superstar der «Factory», dem kreativen Atelier des Warhol-Universums. Ihre Anekdoten sind oftmals zum Schreien komisch.
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Mit John Cale, Maureen «Moe» Tucker u. a.; Regie: Todd Haynes
Faszinierende Film-Zeitreise
USA 2021, ab 15. Oktober 2021