«Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals meine Tochter heimnahm. Ich hielt sie, als hätte ich eine Bombe im Arm. Einen Blindgänger, der jeden Moment hochgehen kann.» Conan O’Brien stellt die Situation nach und kann das Kichern kaum unterdrücken. Gleichzeitig schwärmt der US-Talkmaster, wie er mit der Geburt seines Kindes «diese unglaubliche Erkenntnis gewann, dass ich nicht die wichtigste Person auf der Welt bin».
Auch Schauspieler Will Smith hat nicht vergessen, welch ehrfürchtige Gedanken ihn übermannten, als er seinen Erstgeborenen im Haus hatte: «Wow, dieser Typ wohnt jetzt hier. Für immer!»
O’Brien, Smith und weitere bekannte, aber auch weniger bekannte Väter aus aller Welt schildern im Dokumentarfilm «Dads», der zwei Tage vor dem US-Vatertag auf Apple TV+ aufgeschaltet wurde, wie sie die Vaterschaft erleben – mit all ihren Freuden, Sorgen und Tücken.
Beim Zuschauen wird man emotional ganz schön herausgefordert: Kaum hat Will Smith gefrotzelt, dass man sein neues Fernsehgerät mit einer 1000-seitigen Bedienungsanleitung lieferte, ihm aber mit nichts dergleichen ein Baby nach Hause gab, muss man tief erschüttert mitansehen, wie ein schwerkrankes Kind nach seiner Geburt auf die Herz-OP wartet. Und wenn danach ein Mann erscheint, der vom Vaterglück übermannt wird, bleiben die Tränenschleusen weit offen.
Während man vor dem Bildschirm so richtig schön am Weinen ist, kommt schon Talkmaster Jimmy Kimmel daher und gibt die nächste urkomische Anekdote zum Besten. Ehe die Stimmung wieder kippt, weil Patton Oswalt («King of Queens») erzählt, dass er seit dem Tod seiner Frau ihr gemeinsames Kind allein grosszieht.
War dieses Auf und Ab der Befindlichkeit beabsichtigt? Bryce Dallas Howard, die «Dads» zusammen mit ihrem Vater, dem Oscarpreisträger Ron Howard, produziert hat, räumt gegenüber TELE ein: «Nein! Wir wollten doch eigentlich eine Komödie über Väter drehen. Und was taten wir stattdessen im Schnittraum? Wir heulten uns die Augen aus dem Kopf.»
Im Nachhinein sei man aber glücklich über das Resultat: «Das widerspiegelt doch exakt die Vaterschaft. Ein Papa erlebt ja regelmässig diese emotionale Achterbahn – vom höchsten Hoch zum tiefsten Tief und wieder zurück.»
Die Grundaussage des Films ist dafür fadengerade: Wenn der altmodische Vater streng und stoisch war, so ist der zeitgenössische beinflussbarer und selbstzerstörerischer. So nimmt sich «Dads» sehr anschaulich der veränderten Vaterrolle in der modernen Gesellschaft an.
Alle Mitwirkenden geben viel Intimes preis und lassen den Tränen auch mal vor der Kamera freien Lauf. Wie hat es Bryce geschafft, dass sie so aus sich herausgingen? «Die Promis sind sich Kameras gewohnt. Das ist sozusagen ihre emotionale Landschaft. Ausserdem wurde ich von Jimmy Kimmel, Conan O’Brien und Jimmy Fallon in ihren Late-Night-Shows auch schon ausgequetscht. Da ist es doch nur angemessen, dass die mir gegenüber auch was von sich preisgeben, oder nicht?»
Die Auswahl der Porträtierten ist sehr heterogen: zeitgenössische Väter, die zu Hause bleiben, während die Mutter den Unterhalt verdient; Schwule wie der Schauspieler Neil Patrick Harris («How I Met Your Mother»), die dank Adoption oder Leihmutterschaft zum Vaterglück fanden; aber auch resolute Erzeuger, die zu Erziehungszwecken schon mal die Spielkonsole des Sprösslings mit der Axt bearbeiten. Du heiligs Blechle!
«Dads»; Dokumentarfilm; von Bryce Dallas und Ron Howard; Apple TV+ seit 19. Juni