Schwarzmaler prophezeien bereits das Ende von Hollywood. Der Doppelstreik der Gilde der Drehbuchautoren (WGA) und der Gewerkschaft der Schauspieler (SAG-AFTRA) hat die Produktion von neuen Filmen und Serien zum Erliegen gebracht. Kinofilm-Sets sind geschlossen, Premieren oder PR-Events mit Schauspielern wurden komplett abgesagt.
Als Nächstes könnten auch grosse Hollywood-Galas wie die Emmys dem Streik zum Opfer fallen. Für beide Seiten geht es nicht in erster Linie ums Geld – sondern ums nackte Überleben. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) beim Filmemachen schwebt wie ein Damoklesschwert über allem. KI ist nicht mehr aufzuhalten und gilt je nach Perspektive als zukünftige Retterin oder als Zerstörerin der Unterhaltungsindustrie.
Kaum ein Produzent der Vereinigung der Kino- und Fernsehproduzenten (AMPTP) wollte den Streik. Doch die Erfüllung der Forderungen von SAG-AFTRA und WGA war laut Studios und Streaming-Sendern unmöglich, da die gesamte Branche rote Zahlen schreibt.
Auf die traditionellen TV-Sender, deren Werbeeinnahmen rückläufig sind, trifft das schon länger zu – nicht zuletzt, weil die «Tiktok-Generation» kaum noch analoges Fernsehen schaut. Branchen-Giganten wie Walt Disney Studios, Paramount Global und Warner Bros. Discovery sind als Folge von Mergern hoch verschuldet. Im Kampf um die Gunst der Zuschauerinnen und Zuschauer engagieren Streaming-Sender von Apple+ bis Paramount+ teure A-List-Schauspieler und verpulvern riesige Budgets.
Sinkende Abozahlen und die hohen Kosten zur Kompensation der Preiserhöhungen könnten bestehende Kunden zur Konkurrenz abwandern lassen. Alle stehen zudem unter dem Druck der Wall Street, Kosten einzusparen und Gewinnprognosen zu verbessern.
Die WGA ist bisher unnachgiebig in ihrer Forderung nach einer Mindestanzahl von Autoren für TV-Serien und einer Mindestvergütung pro Staffel geblieben. Bislang werden Drehbuchautoren pro Episode vergütet, von denen es bei traditionellen TV-Staffeln durchschnittlich 22 gab. Bei Streaming-Sendern sind es dagegen im Schnitt nur 9 bis 12 Folgen pro Staffel. Oder um es mit den Worten eines Drehbuchautors auszudrücken: «Das reicht in L.A. nicht mal mehr für die Miete.»
Die 160'000 Schauspieler von SAG-AFTRA fordern höhere, der Inflation angepasste Mindestgagen und eine neue Tantiemenregelung für Wiederholungen auf Streaming-Plattformen. Die Gewerkschaftspräsidentin Fran Drescher (bekannt aus der Serie «Die Nanny») fasst in einer flammenden Rede zusammen, weshalb die Fronten so verhärtet sind: «Das gesamte Geschäftsmodell hat sich durch Streaming und den Einfluss der Künstlichen Intelligenz radikal verändert. Wir akzeptieren nicht mehr, dass die Menschen, welche die Maschine am Laufen halten, vergessen gehen!»
«Die Seite, der zuerst das Geld ausgeht, wird nachgeben.»
Zitat eines anonymen Studiobosses
Künstliche Intelligenz hat sich zum grössten Schreckgespenst der Kreativen in der Unterhaltungsindustrie entwickelt. Bereits heute werden aus Kostengründen unzählige Statisten per KI digital generiert. SAG-AFTRA-Verhandlungsführer Duncan Crabtree-Island enthüllte zudem, dass Produzenten planten, Schauspieler künftig nur noch für den ersten Kinofilm einer Franchise-Serie zu verpflichten: «Wenn es nach den Studios geht, treten unsere Mitglieder danach die Rechte für ihr digitales Abbild ihrer Rolle ab. Damit könnten sie dann in beliebig vielen weiteren Folgen des Films durch ihr KI-Double ersetzt werden. Davor wollen wir unsere Mitglieder schützen.»
Was die Verhandlungen zusätzlich erschwert, ist die drastisch veränderte Zusammensetzung der AMPTP. Während die Mitglieder beim letzten Streik 2007 ausschliesslich aus der Unterhaltungsindustrie kamen, sind nun auch Tech-Giganten wie Amazon und Apple beteiligt. Diese sollen intern eine härtere Linie gegen Zugeständnisse fahren als traditionelle Mitglieder wie Warner Bros. oder Disney.
Ein AMPTP-Sprecher betonte, dass den Akteuren «die höchste Erhöhung der Mindestlöhne seit 35 Jahren» und ein «bahnbrechender Vorschlag für den Schutz vor KI» vorgelegt worden sei. Das Problem: Die Schauspieler wollen sich nicht auf langfristige Abmachungen hinsichtlich KI-Einsatz einlassen. «Denn», so Crabtree-Island, «niemand weiss, was in 10 oder 15 Jahren möglich sein wird.»
Für eine baldige Einigung spricht, dass der Streik die Aktienkurse fast aller Unternehmen der Unterhaltungsindustrie hat einbrechen lassen. Nur Netflix soll Serienvorräte für mehrere Jahre haben. Damit könnte es die alte Vormachtstellung zurückerobern – und das will kein Konkurrent. Und die meisten der streikenden Schauspieler – die nicht gerade Clooney oder Hanks heissen – haben ohne Einkünfte schon jetzt finanzielle Probleme.
Die im «Hollywood Reporter» zitierte Prognose eines anonymen Studiobosses löste zwar einen Shitstorm aus, hat aber einen hohen Wahrheitsgehalt: «Die Seite, der zuerst das Geld ausgeht, wird nachgeben. Die Studios haben tiefe Taschen.»