Es gibt Filme, die sind so abgedreht, dass man sich zweimal die Augen reiben muss, um zu glauben, was man sieht. Dazu gehörten früher oft Filme des Spaniers Pedro Almodóvar, der gerne melodramatisch überzeichnete und den Gefühlen mit knalligen Farben Ausdruck verlieh. Oft trieb er auch die fixen Geschlechterrollen durch den Fleischwolf. Eindeutig inspiriert davon ist «Emilia Pérez». Dass es um einen brutalen Drogenboss geht, der zur Frau werden will, ist verrückt genug. Dazu wird noch gesungen, und die Hauptfigur wuchtet durchs Bild wie eine mexikanische «Mrs. Doubtfire».
Zoe Saldana spielt dabei die mexikanische Anwältin Rita, die es mit Geschick schafft, schmierige Kriminelle vor dem Gefängnis zu bewahren. Das kommt auch dem berüchtigten Drogenboss Manitas (Karla Sofía Gascón) zu Ohren. Der lässt Rita kidnappen und macht ihr in seinem Versteck ein Angebot, das sie – will sie lebend dort rauskommen – nicht ablehnen kann: Manitas möchte sich zur Frau umoperieren lassen, und Rita soll gegen ein hohes Entgelt alles Nötige organisieren. Also sagt Rita zu und sucht als Erstes einen verschwiegenen Arzt, der eine solche Operation durchführen kann. Sie findet ihn in Tel Aviv, die Operation erfolgt und gelingt.
Zur Umwandlung gehört aber auch, dass Manitas Tod als Drogenboss inszeniert wird und er eine neue Identität erhält. Gleichzeitig dürfen seine Frau Jessi (Selena Gomez) und seine zwei Kinder nichts davon erfahren und werden an den Genfersee verfrachtet. Doch Emilia Pérez, wie Manitas nun heisst, hat Sehnsucht nach den Kindern. Als Jessi mit ihnen nach Mexiko zurückkehrt, stellt sich Emilia unerkannt als Manitas Cousine vor. Gleichzeitig setzt sie sich reumütig für eine Organisation ein, die Vermisste sucht, die von Kartellen entführt wurden. Das gefällt aber nicht allen.
Selten hat ein Film eine so krasse Mischung aus Melodrama, Thriller, Musical und Telenovela durchgezogen. Am ehesten vergleichbar ist «Emilia Pérez» mit Lars von Triers schrillem «Dancer in the Dark» (2000). Dabei weiss man nie, ob nun als Nächstes geschossen, gelitten oder gesungen wird. Die Glaubwürdigkeit leidet darunter, doch spätestens wenn der Arzt auch noch zu singen anfängt, gibt man auf.
Der Franzose Jacques Audiard (72), bekannt für intensive Dramen wie «De rouille et d’os» oder «Un prophète», inszeniert hemmungslos wuchtig. Bei den Themen Drogenkrieg oder psychische Folgen einer Geschlechtsumwandlung bleibt er allerdings an der Oberfläche. Doch neben Latino-Star Selena Gomez (32) überzeugen auch Zoe Saldana (46, «Avatar») und die Transfrau Karla -Sofía Gascón (52). Und an Originalität ist der Film kaum zu überbieten.
Melodrama
Mit Zoe Saldana, Karla Sofía Gascón, Selena Gomez
F 2024, ab 21. November 2024 im Kino