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Kino – «Juror #2»

Schuld & Sühne

Clint Eastwood blickt im Thrillerdrama «Juror #2» kritisch auf das amerika­nische Gerichtsprozedere.

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Der Geschworene Justin (vordere Reihe, 2. v. l.) wohnt der Verhandlung angespannt bei.

Der Geschworene Justin (vordere Reihe, 2. v. l.) wohnt der Verhandlung angespannt bei.

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Marco Spiess

Ein Richter oder eine Richterin, die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und eine Gruppe Geschworener: Diese prozessuale Aufstellung kennen alle, die ein paar Filme oder Serien geschaut haben. Dabei ist das amerikanische System vielen fast vertrauter als das einheimische: So populär hat Hollywood seine Gerichtssäle gemacht. Mit dem Gericht kommt auch der Glaube an die Gerechtigkeit. Obwohl er immer wieder Risse bekommt, sind die Amerikaner überzeugt, dass das System funktioniert. Clint Eastwood zeigt in seiner 40. Regiearbeit «Juror #2», was passiert, wenn es das nicht tut.

Die Handlung wirkt wie eine auf den Kopf gestellte Version des Klassikers «Die zwölf Geschworenen» aus dem Jahr 1957. Dort holte Henry Fonda (1905–1982) seine elf Mitgeschworenen auf die Seite der Gerechtigkeit. Im Thrillerdrama «Juror #2» kämpft ein Geschworener dagegen für sich selbst. Es ist Justin Kemp (Nicholas Hoult). Er soll mitentscheiden, ob ein Mann seine Freundin getötet hat. Die verbissene Staatsanwältin (Toni Collette) will den Fall für ihre Politkarriere nutzen und glaubt, den Sieg in der Tasche zu haben. Auch die Geschworenen sind sich einig, dass der wenig sympathische Schlägertyp schuldig ist.

Nur Justin will ihn nicht verurteilen. Denn möglicherweise hat er die Frau selbst getötet! Um sein Gewissen reinzuwaschen, versucht er die anderen Geschworenen auf die Seite des Angeklagten zu ziehen – und gleichzeitig den Verdacht von sich abzulenken. Diese raffinierte Geschichte erzählt Eastwood gewohnt schnörkellos. Er erzeugt Spannung nicht nur durch den Gerichtsfall, sondern auch durch die Schattierungen der Figuren. So ist stets klar, dass Justin falsch handelt, aber Nicholas Hoult verkörpert ihn mit Empathie und spürbarer Verzweiflung.

Weitaus kritischer geht Eastwood an die Staatsanwältin heran, ebenso stark gespielt von Hoults «About a Boy»-Mama Toni Collette. Ihr Antrieb ist die Karriere. Der Schluss schwächt alles etwas ab, aber «Juror #2» ist eine klare Steigerung zu Eastwoods letztem Werk «Cry Macho». Der Altstar, der im Mai 95-jährig wird, hat mehrfach angekündigt, in Rente zu gehen – dies wäre ein würdevolles Abschiedswerk.

Juror #2

Thrillerdrama

D: Nicholas Hoult, Toni Collette, J. K. Simmons

USA 2024, ab 16. Januar 2025 im Kino

Von Marco Spiess am 15. Januar 2025 - 13:51 Uhr