Ein Albtraum ohne Ende

In der Kürze liegt die Würze – das kann man in letzter Zeit von Filmen leider nicht mehr sagen. Etliche sind zweieinhalb bis drei Stunden lang, obwohl die Storys nicht epische Dimensionen haben wie Monumentalfilme à la «Ben Hur».

Warum muss etwa eine Aneinanderreihung von Nahkampfszenen in «John Wick 4» ganze 170 Minuten dauern, wenn die Geschichte auf einem A5-Blatt Platz hätte? Offensichtlich lassen sich die Filmer von der Überlänge gehypter Serien anstecken, in denen jede noch so unwichtige Nebenhandlung gestreckt wird, um Inhalt für mehrere Episoden zu liefern.

Eindeutig überlang ist auch Ari Asters «Beau Is Afraid», ein dreistündiger Trip in die paranoide Welt eines zurückgezogenen Aussenseiters. Beau (Joaquin Phoenix) hat Mühe, die Wohnung zu verlassen, weil er überall nur Gewalt und Chaos sieht. An ihrem Geburtstag will  er seine Mutter besuchen, doch plötzlich ist sein Koffer verschwunden.

Als er bei ihr anruft, meldet sich ein Mann, der behauptet, die Mutter sei gestorben. Verängstigt fährt er zur Beerdigung. Was folgt, ist ein endloser Albtraum.

Die Handlung von «Beau Is Afraid» nachzuerzählen, ist kaum möglich, da der Film die paranoide Sicht der Hauptfigur wiedergibt, ohne einen Rettungsanker in die Realität zu werfen. Fast alles ist seltsam, niemand verhält sich «normal».

Diese radikal-wahnsinnige Bodenlosigkeit hat zu Beginn eine gewisse Faszination, auch weil Joaquin Phoenix den Beau wie ein Joker auf Valium spielt. Mit der Zeit wiederholen sich aber die Ängste vor Messerangreifern, vor der bösen Welt, vor überdominanten Müttern.

Ari Aster (36), ein New Yorker jüdischer Abstammung, machte sich einen Namen mit zwei Horrorfilmen: seinem Debüt «Hereditary» über eine instabile Familie und dem nordischen Sektenirrsinn «Midsommar». Seine Filme haben oft einen Hang zum Plakativen mit penetranten Symbolen und kultivieren das Bild der Frau als bedrohlich.

Gleichzeitig sind sie aber bildstark und verstehen es, aus dem harmlos Alltäglichen eine unheimliche Stimmung zu entwickeln. Auch «Beau Is Afraid» hat diese Vorzüge, wird aber zur unendlichen Reise in aufgeblasene Albträume.