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Interview mit «Bestatter» Mike Müller

«Es war ein Weg mit vielen Kurven»

«Der Bestatter» kehrt zurück – in einem Kinofilm. Hauptfigur Mike Müller sinniert über Quoten, die Toten und Zoten.

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Mike Müller auf dem Friedhof Sihlfeld im Zürcher Kreis 3

Erholt sich auf dem Friedhof Sihlfeld von den «Bestatter»- Dreharbeiten: Mike Müller.

Joseph Khakshouri
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Antonio Gattoni

Gmögig, das ist Mike Müller. Ein angenehmer Gesprächspartner, aber auch einer, der nicht um den heissen Brei herumredet. Für den Kinofilm «Der Bestatter» kehrt er nun in einer seiner beliebtesten Rollen zurück. Daneben ist der 59-jährige Oltner auch mit seinem neuen Soloprogramm «Erbsache» unterwegs. Tele.ch traf ihn im Kino Houdini in Zürich.

Tele.ch: Mike Müller, können Sie inzwischen eine Leiche präparieren?

Mike Müller: Nein. Schminken könnte ich sie, weil ich als Schauspieler weiss, wie man Leute schminkt, egal ob tot oder lebendig. Ich habe aber viel gelernt über das Bestatten, etwa wie man mit Trauerfamilien umgeht.

Nach sieben Staffeln war eigentlich Schluss mit «Der Bestatter». Wieso jetzt ein Kinofilm?

Die Idee kam von Produzent Markus Fischer, er hat das Ganze früh mit mir besprochen. Wir haben inhaltlich immer eng zusammengearbeitet. Es war ein Weg mit vielen Kurven, das Drehbuch sah immer wieder anders aus. Was von Anfang an gesetzt war: ein abgelegenes Hotel, eine Kirche und ein Leichenmahl. 

Die Krimiserie spielte vor allem im Aargau, jetzt in einem Hotel im Engadin. Haben die Bündner mehr bezahlt?

Das haben wir gehofft, aber leider nein! (Grinst.) Wir wollten ein Hotel – ein Krimi in einem Hotel ist einfach interessant. 

Das Hotel Sinestra war erst gerade Schauplatz eines Kinderfilms.

Das war Zufall, die Ausstattung war tatsächlich noch die gleiche. Das Hotel ist weitgehend unsaniert, mit Etagenduschen und so. Ich hatte zum Glück ein Zimmer mit eigener Toilette.

Was war anders als bei der Serie?

Die Geschichte musste grösseres Potenzial haben, und es kamen neue Figuren hinzu. Dazu ist die Finanzierung eines Kinofilms anders. Wir hatten ja beim Serienstart nur bescheidene Mittel. Im Gegensatz zu «Wilder» durften wir noch keinen grösseren Bogen spannen. Man darf nicht vergessen, «Der Bestatter» ist die Folge eines Sparprogramms: Vier Millionen wurden frei und für die Serie eingesetzt. Beim Kinofilm wollten wir auch das Ritual des Bestattens stärker einbauen, das kam in der Serie etwas zu kurz.

Hat sich Ihre Einstellung zum Tod seither verändert?

Nicht unbedingt. Mir fällt aber auf, wie stark der Tod ökonomisiert wurde. Es gibt einen härteren Verteilkampf unter Bestattern. Und der Tod ist wieder sichtbarer geworden: Früher mussten die Bestatter den Warenlift nehmen, heute dürfen sie durch den Hauptausgang. Verstorbene werden auch wieder aufgebahrt. In den Krematorien gibt es extra Räume, wo die Angehörigen Abschied nehmen können.

Vom Todernsten zum Lustigen: Ist es nicht schwierig, in unserer politisch korrekten Zeit noch Witze zu machen? 

Der Humor verändert sich mit der Gesellschaft. Wir machen heute keine Witze mehr über Deutsche am Skilift, auch keine Österreicherwitze. Mergim Muzzafer (Müllers Verkörperung eines helvetisierten Klischee-Kosovaren; Anm. der Red.) war lustig vor 10 Jahren, heute nicht mehr so. Ich habe in meinem neuen Programm einen eingebürgerten Polizisten bosnischer Herkunft, der redet höflich wie ein Bachelor. Sexistische Witze gibt es immer noch, aber vielleicht ein wenig schlauer als früher, als die Männer sich hochwertiger fanden. Die Diskussion über politische Korrektheit ist aber nicht neu.

Darf man Witze über Behinderte machen?

Man sollte über alles Witze machen können, es muss einfach lustig sein.

Wer definiert die Grenze?

Derjenige, der den Witz erzählt. Es muss halt jeder und jede selber entscheiden, wie blöd er oder sie dastehen will. Schwieriger finde ich Bücher- und Leseverbote im Zuge der Cancel-Culture: Shakespeare ist frauenfeindlich und Kant kolonialistisch – wo bleibt da der Blick für den Kontext? 

Es gab kürzlich eine Kontroverse um die Auswahl der Moderatoren für die neue Late-Night-Show bei SRF. Moniert wurde, dass keine Frau in die engere Auswahl kam.

Wenn man drei Formate pilotiert, müsste eigentlich schon eine Frau dabei sein.

Die Verantwortlichen sagten, dass die ausgewählten Männer mehr Publikum erreichen würden.

Wenn man den Algorithmus entscheiden lässt, dann schon. Komikerin und Frau ist allerdings noch keine Voraussetzung für eine Late-Night-Show – das gilt auch für die Männer. Fernsehen funktioniert nicht bei allen. Es sind nicht alle wie die US-Komikerin Chelsea Handler, die telegen und lustig ist. Es sollten aber unbedingt mehr Frauen zum Zuge kommen.

Wie steht es eigentlich um eine Rückkehr von «Giacobbo/Müller»?

Viktor hat von Anfang an klar gesagt, es sei für ihn erledigt. Mich haben sie angefragt. Sie hätten mir sogar freie Hand gelassen. Aber im Moment interessieren mich meine Bühnenprojekte mehr.

In letzter Zeit – und natürlich auch infolge der Pandemie – hat sich Comedy mehr ins Netz verlagert. Sie waren etwa als Bauer Wermelinger auf Youtube zu sehen.

Das war befreiend, aber mehr als Fingerübung. Was die Jungen auf TikTok machen, ist schon innovativ und modern. Es schafft jeder Komiker mit dem, was er zur Verfügung hat. Ich bin zum Beispiel nicht besonders musikalisch. Viktor hat ein Gesicht wie Gummi, kann alles parodieren. Jeder muss seinen eigenen Weg finden.

Sie haben Philosophie studiert, gelten aber als nahbar, geradezu als Volkskomiker.

Das ist eine Zuschreibung von aussen, ich bezeichne mich selber nicht so, aber ich lebe gut damit. Philosophie ist übrigens nicht so weltfremd, wie man immer meint. Im Moment finde ich zum Beispiel das Studium von Finanzwissenschaften und Banking sehr viel weltfremder.

Zur Filmkritik zu «Der Bestatter» geht es hier lang.

Mike Müller trat während Corona als Bauer Wermelinger auf Youtube auf.

Mike Müller trat während Corona als Bauer Wermelinger auf Youtube auf.

youtube.com
2008 mit Viktor Giacobbo in der  Late-Night-Show «Giacobbo/Müller».

2008 mit Viktor Giacobbo in der Late-Night-Show «Giacobbo/Müller».

Heinz Stucki
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Von Antonio Gattoni am 4. April 2023 - 19:16 Uhr