Die filmische Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs begann in den meisten direkt beteiligten Ländern unmittelbar nach seinem Ende und findet bis heute statt. In der Schweiz sieht das etwas anders aus. Einige Filme wie «Marie-Louise» (1944) entstanden schon während des Kriegs, in den Jahrzehnten danach sind sie jedoch dünn gesät. «Das Boot ist voll» (1981) von Markus Imhoof, Xavier Kollers Romanverfilmung «Der schwarze Tanner» (1986), Alain Gsponers «Akte Grüninger» (2014) und «A Forgotten Man» (2022) von Laurent Nègre – aber sonst?
Eher Dokumentarfilme. Besonderes Aufsehen erregte 1976 «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.». Fast 50 Jahre später setzt der Schwyzer Michael Krummenacher («Preis der Freiheit») dieses wahre Schicksal als Spielfilm um.
Der Luftibus Ernst Schrämli (Dimitri Krebs) leistet Aktivdienst. Viel lieber würde er aber eine Karriere als Sänger einschlagen. Im Ausgang in St. Gallen trifft er den Deutschen August Schmid (Fabian Hinrichs). Der verspricht Ernst Auftritte auf den grossen Berliner Bühnen – im Austausch für Spionage. Geblendet vom Traum nach Ruhm (und von üppig Bargeld) sagt Ernst zu. Die nutzlosen Informationen, die er dem Nazi zuspielt, werden ihm zum Verhängnis.
Ernst Schrämli (1919–1942) war der erste von 17 Schweizern, die im Krieg wegen Landesverrat hingerichtet wurden – die einzigen Opfer tödlicher Schüsse aus Gewehren von Schweizer Soldaten.
Krummenacher macht keine trockene Geschichtslektion daraus, sondern peppt das Ganze mit musikalischen Einlagen auf. So stimmen alle Hauptfiguren irgendwann unabhängig voneinander dieselbe Melodie an: eine Art Klagelied, das sich stetig steigert, ehe es vor Ernsts Exekution zum grimmigen Choral anschwillt.
Den Schrämli zeichnet Krummenacher als so aufgeweckten wie naiven Träumer, der konsequent falsche Entscheidungen trifft. Auch weil er selber noch nicht weiss, was er im Leben will. Das verdeutlichen die zwei erotischen Szenen des Films: Zuerst schwängert Schrämli die minderjährige Fabrikantentochter Gerti (Luna Wedler), später kommt es nicht minder ungestüm zum gleichgeschlechtlichen Techtelmechtel, ausgerechnet mit Nazi-Spion Schmid.
Auch wenn Szenen wie diese zuweilen irritieren, da ihre Motivation kaum nachvollziehbar ist, lohnt sich «Landesverräter» als einfallsreicher, schön eigenwilliger Schweizer Film.
Drama
Mit Dimitri Krebs, Fabian Hinrichs, Luna Wedler
CH/D 2024, ab 24. Oktober 2024 im Kino