Ein One-Hit-Wonder ist er ganz bestimmt nicht, dennoch wurde Bob Dylan (83) lange auf einen Megahit reduziert. Mit «Blowin’ in the Wind» wurde der Mann aus Minnesota zum Star der Folkszene in New York. Als Barde mit akustischer Gitarre, Mundorgel und Protest-Botschaft fühlte sich Dylan aber nie richtig wohl. Er wollte kein Prediger sein, sondern sich musikalisch weiterentwickeln. Was im Eklat am Newport Folk Festival 1965 gipfelte: Zum Ärger der Organisatoren packte er Elektrogitarren aus – und rockte!
Es ist jene Zeit, von der «A Complete Unknown» handelt. Wie schon im Johnny-Cash-Film «Walk the Line» konzentriert sich Regisseur James Mangold auf eine kurze Periode, um den Menschen hinter der Legende einzufangen. Das gelingt ihm erneut mit Flair für die Ära. 1961 taucht der junge Robert Zimmermann (Timothée Chalamet) in der Folkszene von Greenwich Village auf. Bald nennt er sich Bob Dylan (nach dem walisischen Dichter Dylan Thomas) und besucht in einem Heim sein Vorbild, den kranken Woody Guthrie.
Als er ihm etwas vorspielt, hört Folksinger Pete Seeger (Edward Norton) mit und wird zum Mentor von Dylan. Seeger organisiert Auftritte in Clubs, und Dylan wird mit seiner nasalen Stimme und seinen poetischen Texten gefeiert.
Bei einem Anlass verliebt er sich in Sylvie (Dakota Fanning), die eigentlich Suze Rotolo hiess. Doch er beginnt auch eine Affäre mit Joan Baez (Monica Barbaro), die sich von seiner arroganten Art («deine Sopranstimme ist zu kitschig») nicht einschüchtern lässt. Immer mehr fühlt sich Dylan eingeengt vom akustischem Folk, was zum Eklat am Newport Festival führt.
Wer und was ist Bob Dylan? Schwer zu sagen, Schubladendenken war ihm stets verhasst. Das veranlasste Todd Haynes, Dylan in «I’m Not There» (2007) von sechs Schauspielern spielen zu lassen, darunter Cate Blanchett. Die Coen-Brüder wichen in «Inside Llewyn Davis» (2013) gar auf einen vergessenen Folksänger aus.
Chalamet gelingt das scheinbar Unmögliche: Er erfasst Dylan intuitiv, spielt ihn unnahbar, verletzlich, überheblich, als einen, der in seiner Musik drin ist. Chalamet singt auch selbst (sogar live am Set, da Mangold die Atempausen zeigen will) und holte sich eine Oscarnomination. Stark ist der gemeinsame Auftritt von Baez und Dylan. Sie zeigt ihm den Mittelfinger, er gibt sich cool, dann knistert es. Im Gesang steckt die ganze komplizierte Beziehung der beiden, obwohl der Auftritt am Festival 1964 stattfand, nicht 1965.
So ist «A Complete Unknown» kein eigentliches Porträt, sondern nähert sich über die Menschen, die ihn umgeben, dem Mysterium Bob Dylan an.
Biographie
MIt Timothée Chalamet, Edward Norton, Elle Fanning, Monica Barbaro
USA 2024, seit 27. Februar 2025 im Kino