Willkommen an der Schlachtbank. Ausgeweidet wird das Schaffen von Ridley Scott. Der 86-Jährige bescherte der Welt einige der grössten Filme überhaupt; mittlerweile hat er es sich zum Ziel gemacht, in Eigenregie oder durch andere sein Œuvre neu anzurichten.
Egal ob «Alien» oder «Blade Runner» und diesen November «Gladiator»: Alles muss wohl weitererzählt werden. Den Startschuss zu diesem Klassiker-Revival gab Sir Ridley gleich selbst, als er 2012 mit «Prometheus» eine Beinahe-Vorgeschichte von «Alien» in die Kinos brachte. Und obwohl die -Resonanz der Fans nicht schlecht war, -verspielte Scott fünf Jahre später mit dem etwas wirren «Alien: Covenant» viel Goodwill. Man sah beiden Filmen an, dass Scotts Vision nicht mit jener des Studios übereinstimmte.
Für den neusten Teil «Alien: Romulus» legte er daher die Zügel in die Hand des Horrorexperten Fede Alvarez («Don’t Breathe»). Der erzählt die Geschichte der jungen Rain (Cailee Spaeny), die auf einer Minenkolonie im Weltall schuftet. Als ihre Freunde um Tyler (Archie Renaux) von einer verlassenen Raumstation über dem Planeten erfahren, rekrutieren sie Rain und ihren ausrangierten Androiden Andy (David Jonsson) für eine Mission.
Sie wollen Kryokapseln von der Station klauen, um schlafend den mehrjährigen Flug zu einem idyllischeren Planeten antreten zu können. Doch auf der Station wartet natürlich der Horror ...
Diesmal ist klarer, wo der Film chronologisch anzusiedeln ist: nämlich zwischen Scotts Ur-«Alien» (1979) und James Camerons «Aliens» (1986). Genau bei diesen Klassikern bedient sich Fede Alvarez am deutlichsten. Mal ein paar Soundtrack-Einflüsse von beiden, mal eine visuelle Hommage an die Eröffnungsszene von «Alien» oder an Sigourney Weaver, wie sie bewaffnet aus dem Lift tritt. Ja, sogar eine Figur aus dem ersten Film wird unschön per CGI zurückgeholt, und ein berühmter Satz aus dem zweiten etwas ungelenk wiederholt.
Das ist zu deutlich darauf ausgelegt, Fans zufriedenzustellen und diesmal auf die inhaltlichen Wagnisse, die «Prometheus» und «Alien: Covenant» eingegangen sind, zu verzichten.
Aber: In Sachen Weltraumhorror trifft «Romulus» ins Schwarze. Die dunklen Gänge der Raumstation sorgen für Grusel, die Sets wirken realistisch abgenutzt, die Effekte sind oft angenehm von Hand gemacht, und das von H. R. Giger entworfene Alien ist furchteinflössend wie eh und je.
Auch viele Ideen aus früheren «Alien»-Filmen nimmt Alvarez wirkungsvoll auf. Darunter den unterschwelligen Klassenkampf zwischen den unterdrückten Arbeitern und dem Megakonzern Weyland-Yutani oder das wiederkehrende Motiv der Mutterschaft.
Ein Horrortrip zurück zu den Wurzeln also: Das macht Filmfans glücklich. Die Frage stellt sich nur, ob eine Reihe ewig weiterleben kann, wenn Bekanntes wiedergekäut und Neues fallengelassen wird. Für die bereits angedachten Fortsetzungen hoffen wir auf einen Mittelweg.
Sci-Fi-Horror
Mit Cailee Spaeny, David Jonsson, Archie Renaux
USA/GB 2024, ab 15. August 2024 im Kino